SCHWEDEN

5. Mai

 

 

Es ist Donnerstag Punkt Neun und wir zischen ab.

Die sechs Beine unseres Wagens sind ja schnell hochgeschoben und eingehängt und die zweistufige Treppe wird nur mit Ketten und Schlössern verriegelt.

Das Wetter ist heute gar nicht dazu angetan, zu verreisen.

Auf unserem Balkongeländer bleiben die Schneeflocken minutenlang liegen und während der nächsten drei Stunden hat der Scheibenwischer ordentlich zu tun.

Stetig steigt es bergauf.

Schweden ist fürwahr ein sehr gebirgiges Land.

Die Birken und Kiefern, die wir so oft in Mittelschweden gesehen haben, machen überraschenderweise Nordmanntannen und dünnen Fichten Platz.

Die wenigen Birken haben so dünne Stämmchen, dass sie aussehen wie Strohhalme.

Felsblöcke und regelrechte Felsenmeere reihen sich eng aneinander und wo immer man hinblickt, fließt Wasser.

Mal ist es klar, mal rot, mal dunkelbraun gefärbt je nach Bodenbeschaffenheit.

Es geht über hohe Brücken über die Flüsse „Skeleftenälf“ und „Svarälven“ knapp 100 Kilometer nach „Arvidsjaur.“

Wir sind erstaunt über das rege Leben in der 6500 Einwohner zählenden Stadt.

In den Stunden davor sind uns lediglich zwei kleine Rentierherden begegnet, die im Zeitlupentempo die Straßenseiten wechselten.

Kühe sind unwesentlich schneller als diese weißbraun gefärbten, gemütlich staksenden Tiere.

Ob Rudolf das kleine Rentier auch dabei war wissen wir nicht so genau, aber eine große Ähnlichkeit besteht schon bei diesem oder jenem Bullen.

Meine Nase erinnert urplötzlich Barbara daran, dass ich eventuell entfernt verwandt sein könnte mit Rudolf.

Ich überhöre diese Bemerkung geflissentlich.

Heute trage ich meine Haare mal "offen"
Heute trage ich meine Haare mal "offen"

 

Es gäbe weitaus bessere Vergleiche.

In der sehr sehenswerten Stadt „Arvidsjaur“ kaufen wir erst neue frische Lebensmittel ein.

Es soll heute Abend Spaghetti und Hackfleischsauce geben.

Im Touristenbüro werden wir mit vielen Prospekten eingedeckt.

Auch der zehnte Aufkleber wird erstanden.

Der Trecker hat ja noch so viel Platz.

Wir aber wollen noch ein Stück weiter nach Norden fahren.

100 Kilometer am Tag…pah, was ist das schon für uns Fahrensleute.

 

Im Dorf „Moskosel“ neben der Europastraße frage ich einen Jungen, der gerade auf dem Dorfplatz mit seinem Hanomag-Pickup-Auto angebrettert kommt, wo es zum nächsten Campingplatz geht.

Der Junge mit seinem alten Hanomag in der Nähe von "MOSKOSEL"
Der Junge mit seinem alten Hanomag in der Nähe von "MOSKOSEL"

In unseren Reiseführern wäre erst in „Jokkmokk“, etwa 140 km weiter der nächste.

Viiiel zu weit !

Ich wundere mich über das Alter des Jungen, der etwa sechzehn Jahre alt sein dürfte und besonders über seinen Oldtimer aus Deutschland.

Er stammt aus den 50er Jahren und er hat ihn mit zwei leuchtendroten Rallyesitzen aufgepeppt.

Mit Stolz lässt er sich vor dem Kühlergrill stehend von mir ablichten.

Drei Kilometer wären es nur bis zum Platz, sagt er.

Wir finden den kleinen Platz auf Anhieb.

Einer von ca. 50 Seen, an denen wir jeden Tag entlang fahren
Einer von ca. 50 Seen, an denen wir jeden Tag entlang fahren

 

Aber er ist noch geschlossen. „Stängt“, wie die Schweden zu „geschlossen“ sagen.

Barbara will trotzdem bleiben.

Ich bin fürs Weiterfahren.

Ein kleiner Streit beginnt.

Sie verhält sich einfach „läppisch.“

Wir sind ja auch in Lappland.

Ich bleibe an der nächsten Ecke einfach stehen und warte, bis sich die dunklen Wolken verzogen haben.

Das dauert nicht lange.

99 Kilometer vor Jokkmokk, der ehemaligen Lappensiedlung, so wies es das Hinweisschild soeben aus, sehen wir mitten in der Wildnis einen Rastplatz für Trucker einsam und verlassen vor.

Ich fahre in großem Bogen an den Rand und sehe Barbara fragend an.

„Fahr doch!“ ruft sie und wir halten auf einer der auf dem Teer vorgezeichneten Flächen.

Der letzte Ort liegt 15 km hinter uns, der nächste 31 km vor uns.

Der Rastplatz erweist sich als idealer Platz für gestrandete Treckerreisende.

Direkt an dem etwa 150 Meter breiten Fluss „Piteälven“ gelegen gibt es zu unserem Erstaunen auch ein Wasch-und Toilettenhaus, einen Grillplatz, Tische und Bänke und eine Informationstafel in vier Sprachen.

Beide Toiletten sind offen und…sogar beheizt und beleuchtet und…sehr, sehr sauber

Nur das Wasser aus dem Hahn kommt kalt heraus.

Eine weitere Toilette ist speziell für Behinderte ausgelegt.

Eine Aluminiumrampe führt zur Tür, die sich auf Knopfdruck öffnet und wenn man drin ist, sich wieder automatisch schließt.

Eine Behindertentoilette für Trucker ??

Schweden eben !

Kurz vorm Erfrieren
Kurz vorm Erfrieren

Erstaunlich, so mitten in der lappländischen Wildnis!

Wir beschließen, mal wieder „kostenneutral“ zu campieren.

No risk, no fun !

Es wird uns schon niemand hier den Garaus machen.

Ein paar Langholz beladene LKWS halten kurz an, die Männer gehen ihren Bedürfnissen nach und fahren wieder ab.

Spät in der Nacht bleibt ein finnischer LKW vor uns stehen. Der Motor läuft gut zwei Stunden weiter. Der Fahrer hält ein Nickerchen, lässt sich aber nicht blicken.

Barbara kocht die Nudeln auf Gasflamme.

Ein köstliches „Abendmahl“, besonders weil es im Bauwagen nur sieben Grad warm ist.

Hoffentlich werden wir über Nacht nicht eingeschneit.

Wir drehen eine Runde zur Brücke und machen einige schöne Fotos von dem mit Felsbrocken überzogenen Flussufer.

Morgen haben wir weniger als 100 Kilometer zu fahren.

Ich freue mich schon auf einen warmen Bauwagen auf dem Platz in der Lappenstadt  Jokkmokk.

Wir wollen uns Morgen das Städtchen länger ansehen  und auch Wäschewaschen müssten wir mal wieder.

Wir gehen sehr früh zu Bett.

Zu kalt, um die Zeit abzusitzen.

Die drei Kerzen werfen einen warmen Schein auf meine klammen Finger beim Eintippen der Reiseberichte.

29 Kommentare zu „SCHWEDEN“

  1. Hallo Ihr Zwei,

    weiterhin „gute Fahrt“ auf den paar „restlichen“ 15.500 Kilometern… Wir wünschen Euch eine spannende Reis mit vielen Impressionen. Bis Ende des Jahres ;)))
    Und nicht vergessen: Jeden Morgen Tanta Paula streicheln, ist auch nur ein Mensch ;)

    Viele Grüße aus der Dragonerstraße vom kompletten Team!

    Jörg

  2. Die Süden-Petra

    hallo ihr beiden,

    hoffe, es geht euch gut. wandere mit meinen gedanken immer wieder hin zu euch –
    und hoffe, dass ihr wohlbehalten von einer fahrt zur anderen kommt.

    ganz liebe grüße aus dem warmen freiburg,
    petra

    (p.s. ihr wisst ja: ich warte auf euch ;-))

  3. hallihallo…….bei uns in der praxis wird sich oft über die ochsen´s .-) unterhalten
    auch mit den patienten in der altenhilfe die sie kennen…viele gute wünsche und grüße auch von frau giese (bewohnerin altenhilfe)
    gruß wolfgang müller

  4. Hallo ihr Weltenbummler,
    hoffe es geht euch gut und ihr erfreut euch an Land und Leute. Die Berichte von euch sagen es ja eigentlich aus und ich informiere M + P fleißig mit der Wochenpost (ehemals Freitagspost). Telefoniere fast jeden Tag mit ihr und sie möchte immer wissen wie es euch ergeht. Bei den beiden ist alles soweit i.O. Da ihr jetzt in Lappland seid, ist es bis zum Nordkap nur noch einen Zetorsprung entfernt.
    „Bei den Lappen und den Samen,
    hat der Elch mit seinen Damen,
    Tante Paula freudig nachgeschaut
    und elcht und röhrt seitdem ganz laut.“
    -Läppische/Sämische Weisheit-
    Bis denne
    s`Brüderle

  5. einen warmen frühlingsgruß aus nordhessen,
    wir sind immer wieder ganz gespannt auf neuigkeiten aus dem hohen norden.
    was für ein abenteuer!!!
    ganz liebe grüße aus teichstrasse

  6. Hej in der LT kam Heute eine ganze Seite mit Euch, da steht was von:

    kategorin rullande spektakuläriteter, inkl.5 Bilder, wir besorgen Euch die Zeitung.

    Gruß Dieter

  7. Hallo Poetenfreund und Frau Barbara!
    Wie ich lese wird es Euch nie langweilig. Passt gut auf Euch auf und auf Eure Paula.Werde Euch weiter verfolgen. Alles Liebe, Viola2

  8. Liebes Ehepaar Ochs,
    ich bin ja sowas von neidisch…
    So eine tolle Reise!!!
    Ich freue mich schon auf weiter Berichte.
    Herzliche Grüße
    Dominik

  9. Hallo ihr Zwei Weltenbummler,
    uns fehlen manchmal die Worte beim lesen,aber wir können uns vorstellen wie es bei euch zugeht.
    Blutpudding nein danke,könnte Barbara gut verstehen, wenn sie das Essen verweigert hätte!!!!
    Es sind nur noch 2 Räder die kaputt gehen können,läßt doch hoffen oder?
    Weiterhin „gut Rad“ ohne Pannen!!!!
    Ciao Wir, die fast jeden Tag an Euch denken.

  10. Hallo!
    Ich sehe, dass du ein kleines Problem mit dem Traktor Räder und andere Dinge auf Ihrer Reise hatten. Hoffe, Sie können immer noch auf Ihrer Reise durch das schöne Sommer Schweden genießen.
    Grüße
    Herausgeber Leif T.

  11. Hallo Herr und Frau Ochs,
    ich lese mir fast jeden Abend (wenn Ria schläft) ihre Berichte durch, denn dann habe ich die Zeit und Ruhe.
    Ich finde die Berichte sehr interesant und spannend.

    P.S: Natalie ließt manchmal mit und schreibt für mich die Kommentare damit keine Fehler entstehen z.B. die Federn ziehhen :D

    Liebe Grüße

    Anna & Natalie

  12. Hallo,
    ihr beiden. ich hab mich jetzt durch Dänemark und Schweden gelesen. Dreieinhalb Stunden und ich bin ganz kirre im Kopf. Ich glaube Du hast keinen Grund den Kopf hängen zu lassen.
    Hattest Du nicht erst die Idee mit der Ape zu fahren? Setz Dich mal gemütlich in einen Stuhl und stell Dir die schon gefahrene Strecke damit vor. Eure Allerwertesten wären nicht nur rund sondern auch Wund und spätestens bei der ersten Panne würde Dir die Ersatzteilbeschaffung die letzten Deiner schönen Haare kosten. Die Bergung wäre zwar etwas kostengünstiger aber dafür müstest du Dir jetzt bei Deinem Differenzialproblem mit Lieferzeiten von mehreren Monaten rechenen.
    Also lehne Dich zurück und genieße die Natur mit Deiner Frau.
    Gruß
    Harald

  13. Hallo Ihr beiden.

    Das ist ein wirklich wunderschöner Reisebericht.Ich bin Moderator im Forum http://www.Campen.de
    Dort findet man mich unter dem Nick, Bigrolly

    Vielleicht schaut Ihr mal bei uns rein und schreibt was zu euerer Geschichte, wäre sicherlich für viele von uns von interesse.

    wünsche euch weiterhin eine Schrott und Knitterfreie Fahrt.

  14. Hallo Ihr zwei!

    Vielen Dank für diesen tollen Reisebericht, den ich natürlich weiter verfolgen werde. Einmal mit dem Lesen angefangen, kann man gar nicht mehr aufhören!

    Weiterhin eine gute Reise mit schönen Erlebnissen, wenigen bösen Überraschungen und ganz viel Spass!
    Tack så mycket och lycka till!

    Christiane

  15. Petra aus Viermünden

    Hallo liebe Barbara und lieber Dieter,
    wir haben gestern mit Vater und Marlies gegrillt. Vorher hatte ich eueren Reisebericht einmal in Papierform gebracht, da ich dachte es ist bestimmt ganz interessant für unseren Vater mal ein bisschen über eure Reise zu erfahren. Aber, dass das so enden würde hätte ich ja auch nicht gedacht. Werner hat nach dem Grillen, praktisch als Nachtisch, einiges aus dem Bericht vorgelesen. Das Schlimme ist aber, dass eurer Bericht Suchtgefahr in sich birgt, denn wenn man damit einmal angefangen hat, möchte man immer mehr und auf jeden Fall weiter lesen. Wir haben einen sehr interessanten und vergnügten Nachmittag mit euere Lektüre verbracht. Werner hörte man immer wieder zwischen durch über dem Text lachen. Bei all dem Lustigen sind wir froh dass es euch gut geht und bis jetzt alles gut ausgegangen ist. Wir werden mit Spannung eure Berichte weiter verfolgen und grüßen euch aus der sonnigen Heimat.
    Drück euch
    Pe

  16. Kann garnicht aufhören zu lesen, obwohl ich eigentlich den Grill anwerfen sollte.
    Ich bewundere Eure Zuversicht und drücke beide Daumen, dass es geruhsamer weitergeht.

  17. Die Süden-Petra

    Hui…ich habe mal wieder mit einem lachenden und einem zitternden Auge gelesen…
    Was kann ich Barbaras Ängste nachvollziehen (ich winke dir mal rüber, Barbara). Und Du, mein lieber Dieter, du solltest ein Buch schreiben über diese Reise. ICH würde es auf jeden Fall sofort kaufen – und ich bin sicher, hundert andere mit mir.

    Ich schicke euch liebe Grüße aus dem Süden Deutschlands,
    Petra

  18. Michaela und Hans-Jürgen Vollmöller

    Wir wünschen Euch frohe Ostern. Hoffentlich hält Euer Gespann jetzt mal etwas länger.
    Wir drücken weiter die Daumen.
    Michaela und Hans Jürgen

  19. Hej,

    jenachdem und wo Ihr Ostern verbringt und auf einen Dator zugiff habt,

    wir wünschen Euch Frohe Ostern

    Gruß aus dem schönen Jämtland

    Dieter und Gudrun

  20. Hallo Familie Ochs,

    herzliche Grüße aus der Heimat sowie ein gesegnetes und hoffentlich auch ein erholsames Osterfest – natürlich frei von Pannen!

    Rudi Wenzel

  21. Massey Ferguson 30

    Eigentlich wollte ich mit dem Tag meines Rentenbescheides (in etwa 23 Jahren) nach Eurem Vorbild einen meiner zwei Bauwagen satteln und mit dem Schlepper nach Norwegen fahren. Ich glaube, ich nutze die Zeit bis dahin, auf Titan-Radlager zu sparen und werde meine Frau überreden, in die Muckibude zu gehen, damit sie den Bauwagen hochheben kann, falls mal nötig…

    Für die weitere Reise: Immer eine Hand breit Luft unterm Bodenblech!

    Viele Grüsse aus der Schwalm und denkt dran: Auch wenn’s noch so dicke kommt, hinterher kann man meistens doch drüber lachen :-)))

    MF30

    PS: @webmaster => wäre schön, wenn man die Bilder beim Reinklicken vergössern könnte, um mehr auf den Fotos zu erkennen…

  22. Hallo an die Vagabunden ;o)
    Der „Start“ der Reise ist schon recht aufregend. Wir drücken die Daumen, dass Tante Paula jetzt durchhält und die nächsten Campingplätze auf haben. Gute Weiterreise und viele weitere schöne Begegnungen.
    Liebe Grüße
    Petra

  23. Die Reiseberichte aus Dänemark und Schweden waren gerade meine Bettlektüre (okay, nur im übertragenen Sinne, denn der Computer steht ja im Arbeitszimmer) und, wie ich feststellen muss, tausendmal spannender und unterhaltsamer als der Krimi, der aktuell auf dem Nachttischchen liegt. Ich freue mich schon auf das nächste „Kapitel“. Alles Gute und herzliche Grüße aus Carlsdorf nach „unterwegs“. Mark Meusel

  24. Hoffendlich ist Tante Paula jetzt grundüberholt .Fahrt laaaaagsam weiter und nicht so schnell in den Kurven. Viel Spaß ihr BEIDEN die Sieler

  25. Hallo Dieter,
    das sind ja unglaubliche Reiseberichte.
    Hoffentlich ist Tante Paula nun etwas standfester und ihr habt ein paar ruhige Tage zum Entspannen.
    Viele Grüße aus der Bahnhofstraße,
    Stefan

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