Deutschland – 20. September

Gegen 11 Uhr besucht mich eine Dame von einem Sanitätshaus und misst mir meine Beine aus. Natürlich nur äußerlich. Länge, Umfang usw. Dann kommt die Anprobe. Ich hätte Maßbeine, wie sie feststellt und es bedarf keiner besonderen Anfertigung für ein paar Kompressionsstrümpfe. Das wusste ich auch vorher schon. Am Donnerstag sollen sie geliefert werden, damit ich mir die Beine nicht mehr bandagieren muss. Es ist ein scheußliches Gefühl, wenn die Binden durch die gewaltige Freiburger Erdanziehungskraft ins Trudeln kommen, wenn man durch den Klinikpark geht und unterhalb des Knies ein wirres Knäuel bilden.

Für das Wochenende sind 26 Grad Wärme vorausgesagt...
Für das Wochenende sind 26 Grad Wärme vorausgesagt...
Der Klinikteich fontänt auch nachts
Der Klinikteich fontänt auch nachts

Dann ist es soweit! Gegen 13 Uhr werde ich zum willenlosen Model und darf das hauseigene blaurot gepunktete Flügelhemd anziehen. Schick sieht es aus, wenn ich mich so im Spiegel betrachte und an der rückwärtigen Front feststellen muss, dass da ein guter Meter Baumwollstoff vergessen wurde einzunähen. Aber ich will ja auch keinen Preis im Klinikschönheitswettbewerb gewinnen. Beide Beine sind nun geschmackvoll aufdringlich umgeben mit wunderhübschen fleischfarbenen Elastikbinden und verschlanken dieselben um ein paar Millimeter. Nun fehlt mir nur noch ein Häubchen und fertig wäre der böse Wolf. Alle herausnehmbaren Körperersatzteile darf ich freundlicherweise dalassen, wie z.B. das Holzbein, die Gummibrust, die Zahnprothesen und die Piercings. Meine Zahnimplantate werden mir aber gelassen. Dann wird mir eine winzig kleine Pille verabreicht, damit ich vor der Operation nicht weglaufe. Und schon fahre ich in meinem Bett in Richtung Aufzug, der die Reise mit mir und den beiden Schwestern nach unten fortsetzt. Im OP führe ich ein nettes Gespräch mit dem Anästhesisten, der mich gut gelaunt und mit hochgekrempelten Ärmeln an einen Dauertropf anschließt und mir eine Maske auf Nase und Mund setzt. Ich kann ihm gerade noch den heißen Tipp geben für den Chirurgen, dass er es, wenn gar nichts mehr gehen sollte, mal mit einem rostfreien sogenannten Engländer versuchen sollte, den Nierenstein zu packen. Weit komme ich nicht mit meinen „sachlichen“ Ausführungen. Der OP-Himmel verschwimmt und ich falle in die ewigen Jagdgründe. Als ich wieder einigermaßen beisammen bin und auch etwas sprechfähiger befinde ich mich schon wieder in meinem Zimmer. Ich habe fast keine Schmerzen und einen himmelblauen Blasendauerkatheter liegen. Wie ich später vernehme, hätte ich nur Unsinn in meiner Aufwachphase geredet. So bin ich mir auch in dieser Situation ungewollt treu geblieben. Wie schön! Eine besonders sympathische Krankenschwester, ich nenne sie der Einfachheit halber mal das „Saarlännische Määdsche“ spricht mir Mut zu.

Barbara sitzt plötzlich auch auf einem Stuhl neben meinem Bett und beobachtet mich aufmerksam. Da ich aber noch sehr dösig bin, geht sie bald wieder. Das Pflegepersonal ist sehr bemüht um mich und ich bekomme ein paar Schmerztropfen in die Infusion. Später wird mir ein durchsichtiges Röhrchen gebracht, wo sich ein Fragment des ursprünglich 9 Millimeter großen Nierensteines befindet. Alle Achtung! Ist der aber zackig! Wie ein ungeschliffener Diamant sieht er aus, wie er da durchs Glas im Sonnenlicht funkelt. Ob sich Barbara davon einen Ring basteln lässt, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin nur noch müde und schlafe ständig ein. Die Nacht ist qualvoll. Ich habe Schmerzen und stets einen gewaltigen Drang, den „Dingen“ freien Lauf zu lassen. Was auch passiert. Die Nachtschwester schafft Abhilfe. Mit dem Slogan „Wir sind Nierenstein“ falle ich in einen langen Traum. 

2 Kommentare zu „Deutschland – 20. September“

  1. Ich freu mich, dass alles endlich gut überstanden ist! Hoffentlich nimmt der Browser heute meinen Gruß an – die Daumendrücker-Wünsche hat er nicht übermitteln wollen vorgestern…
    Lieben Gruß! Anschi

  2. Lieber Dieter,
    schön das Du das DING endlich los bist. Ich dachte immer, dass nur bei mir solche Probleme im Krankenhaus auftreten würden.
    Nun -ich bin doch kein Einzelfall. Werde schnell wieder gesund, damit Du vor dem Wintereinbruch Deine Reise fortsetzen und auch beenden kannst.
    Gute Besserung und viele Grüße – auch von Jutta –

    Rudi

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