Deutschland – 15. September

Schon um sieben Uhr bei der Morgenvisite erfahre ich, dass es, wenn überhaupt, Nachmittag werden wird, um noch einen freien Platz im OP-Raum zu bekommen. Die Techniker wären gestern nicht erreichbar gewesen und würden erst heute Vormittag kommen. So, so! Das habe ich erwartet. Ich, „Hans Huckebein, der Unglücksrabe.“ Aber auch, wenn man so will „Der Ochs hat mächtig Schwein gehabt mit seiner Embolie!“ Ich bekomme aber trotzdem mein Frühstück und soll dann vorerst nichts mehr essen und trinken. Auch gut! Daran bin ich inzwischen gewöhnt. Mein Altherrenbauchspeck ist schon arg geschrumpft und steht mir ganz gut zu Leib.

Terrassengespräche
Terrassengespräche

Am Vormittag treffe ich dann im Aufzug auf dem Weg nach unten, um frische Luft zu schnappen einen Herrn in weißer Kleidung, der mit mir auf „E“ aussteigt. Auf seinem Rücken eine Aufschrift: Krankentransport. Und wie das nun mal mit mir so ist, lese ich die Silben halblaut falsch vor. Ich lese: Krankentran- Sport und frage ihn, ob er in seiner beruflichen Eigenschaft mit den Kranken Sport treibt. „Wie das denn?“ kommt es verwundert zurück. „Na,“ entgegne ich, „weil auf ihrem Rücken der Hinweis auf eine sportliche Aktivität mit den Kranken zu lesen ist.“ Er fängt an zu lachen, nachdem er die Silben auch bewusst verkehrt gelesen hat und meint, so habe er das Wort noch nie zerpflückt. So habe ich wieder mal einen Menschen zur Verbluffung gebracht ohne dass ich es wollte. (!?) Ich treffe halt immer wieder auf Namen und Schilder, die mir einen anderen Sinn als den, den er beinhalten soll geben.

Mein lieber Schwiegersohn Karsten hat mir eine Email zugeleitet, die er von einem früheren Arbeitskollegen auf seinen Rechner bekam. Die Mail kommt aus China, aus Beijing von einem gewissen Helmut, der dort seit geraumer Zeit lebt und unsere Europatour von dort mit Spannung verfolgt. An dieser Stelle einen herzlichen Gruß an unseren Fan aus China und……danke für’s Lesen, lieber Helmut. Ich bleibe weiter am Ball und werde über den Fortgang unserer Abenteuerreise berichten.

Hier auf der Station erhält man immer reichlich zu Trinken. Ungefragt werden einem die leckeren Wasserflaschen auf den Nachttisch gestellt. Ich nehme mir mal so eine Flasche vor und lese: „Bad Dürrheimer Weissenburger Quelle.“ Kochsalzarm und nitratarm. Aber sehr, sehr wasserreich, wie ich befinde. Nur einen Schwips kann man nicht davon bekommen. Das ist das einzig Gute daran.

"Colapause" im Terrassencafe der Frauenklinik
"Colapause" im Terrassencafe der Frauenklinik

Neuigkeiten vom Papstbesuch: Man kann neuerdings auf sein Handy Klingeltöne zum Papstbesuch herunter laden mit dem Lied „Wo Gott ist, da ist Zukunft!“ Ich bin am Überlegen… Ein Mitleidender aus unserer Stube wird heute entlassen. Vielleicht hat er sich nicht ordentlich genug aufgeführt oder so. Nun sind wir nur noch zu Zweit. Mein Nachbar langt mit Heißhunger nach den Maultaschen und ich habe Hunger. Erst um Eins kommt die Nachricht, dass ich doch jetzt essen könne. Das Ersatzteil für die zertrümmerte Trümmermaschine sei bestellt und ich könne, wenn überhaupt erst am Freitagnachmittag operiert werden. Na, wunderbar, denke ich. Da hat der Ochs ja schon wieder Schwein gehabt und darf alles tun und essen, was das Herz begehrt. Oje, noch eine Verschiebung mehr. Ob ich mal im städtischen Straßenbau anrufe, um einen Presslufthammer zu ordern? Damit reicht sicher eine Sitzung aus, um den Stein loszuwerden. Ich lasse es lieber sein und schaue entspannt in meine Zukunft. Wer weiß, zu was es gut ist, dass ich ein Pechvogel bin. Aber wie bekannt kommen nach den sieben mageren Jahren immer die Fetten. Barbara ist auch geknickt und tröstet mich bei einer Flasche Cola im Frauenklinikcafe. Meine Binde rutscht den ganzen Tag über, sobald ich mich bewege. Viel lieber würde ich mir jetzt einen hinter die Binde kippen, um meinen Kummer zu ertränken, doch die Zweizugpütterbinden sind teuer und ich muss auch ans Allgemeinwohl und an die Kosten denken, die ich sonst verursachen würde. Ich hocke am Nachmittag ganz allein auf dem großen Balkon unter der in bayrisch blauweiß gehaltenen Markise und schaue mir das bunte „Markttreiben“ unter mir an. Ein Kommen und ein Gehen herrscht hier. Die hauseigenen Rikschas mit den Alutransportkisten, die Besucher, Angestellten, Lieferanten, Taxen, Krankenwagen, Hubschrauber und die anderen geh- und rollfähigen Patienten wechseln sich in wahlloser Reihenfolge ab. Hier brodelt das Leben! Und ich, ich möchte gerne noch ein wenig daran teilhaben, wenn es mir gestattet ist. Nun warte ich auf den Freitag. Es ist zum Auswachsen.

Mit der jungen Nachtschwester, deren Dienst um 21 Uhr beginnt führe ich ein gutes Gespräch über unsere Reiseerlebnisse und über Gott und die Welt. Auch der Papst wird kurz „angeschnitten“ und sie scheint nicht gerade begeistert über die mannigfaltigen Einschränkungen an diesen Tagen zu sein, die auch das Klinikum in besonderem Maße betrifft. Um Mitternacht wird mir die vierte Kurzinfusion angehängt und danach träume ich einen seltsamen Traum. Ich träumt’, ich wär’ ein Regenwurm mit veilchenblauen Augen und einem meterlangen Kompressionsstrumpf und würde von den Hinterrädern meines eigenen Traktors in den Boden gestampft werden. Was gibt es Schöneres als in einem Traum versinken zu können…

1 Kommentar zu „Deutschland – 15. September“

  1. Hallo, lieber Dieter,

    wir hoffen, die Operation konnte gestern endlich stattfinden und du hast alles gut überstanden und bist nun langsam und beständig auf dem Weg der Besserung!

    Viele liebe Grüße!
    Anschi und Thomas

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