Deutschland – 03. Oktober

Ich bin müde, aber gut gelaunt, als wir um Sieben aus den Federn hüpfen. Vorletzter Reisetag. Wir stoßen mit unseren Teetassen an. Alkohol ist für uns beide während des Tages tabu. Genau heute, heute vor ganzen sechs Monaten sind wir voller Vorfreude auf unsere Europatour aus unserem Dorf „Carlsdorf a.d.Lempe unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der Presse losgefahren. Trecker und Bauwagen waren auf Hochglanz poliert. Die 18 Länderflaggen flatterten farbkräftig und frisch im Sonntagmorgenwind und wir waren innerlich voller Spannung, was uns das kommende halbe Jahr an Erlebnissen und neuen Erfahrungen geben wird. Heute ist das halbe Jahr herum und wir sind tausendfach von Menschen, die wir kennenlernen durften und von einzigartig schönen Landschaften in allen Ländern Europas, die wir durchreist haben, reichlich belohnt worden. Wir sind, um es auf einen Nenner zu bringen einfach „nur“ dankbar.

Abschied von meinen Eltern
Abschied von meinen Eltern

Wir würden es jederzeit wieder tun und „ins Blaue“ hinein fahren. Aber nur…mit unserer guten, alten Tante Paula und unserem tapferen Vagabunden, dessen Herz nach wie vor so kräftig schlägt wie am ersten Tag. Paula dagegen hat etwas gelitten auf den 13500 Kilometern. Die Kratzer und Beulen und einige Blessuren an ihrem Fahrgestell sind aber heilbar. Wir werden sie demnächst zum EKG und zum EEG dem Landmaschinendoktor vorstellen. Auch beinwärts sollen ihre morschen Gelenke einmal durchgecheckt werden. Ebenso ihre Schmiernippel und der drehfreudige, aber knarrende Drehkranz auf ihrem Unterbau. Aber auch ich habe den nächsten Gang zu meinem Hausarzt in Kürze vor mir. Es wird Zeit! Hohe Zeit!! Um Punkt Neun fahren wir vor dem Haus meiner Eltern vor, um uns von beiden zu verabschieden und uns noch einmal herzlich zu bedanken für alles Gute und alles Liebe, was uns durch sie in den letzten drei Tagen zuteil wurde. Es sind schon Prachteltern, die untadelig sind und die wir beide sehr lieben. Dann geht’s auf die Piste. Lauterbach wirkt an diesem Feiertag noch recht verschlafen. Kaum Verkehr, alles ist sehr ruhig, als wir auf die Bundesstraße kommen, die uns nach Alsfeld führt, wo wir auftanken. Die Auflaufbremse macht komische Geräusche.

Großes Treckertreffen mit Thomas, Berndt und Karl in Ziegenhain
Großes Treckertreffen mit Thomas, Berndt und Karl in Ziegenhain

Klack, klack, klack, klack geht es. Fahre ich langsamer, höre ich die Klackgeräusche auch in längeren Abständen. Fahre ich über 20 Sachen, dringt das Geräusch in kürzeren Abständen an mein aufgespanntes linkes Ohr. Ich halte an und rüttele an den Vorderrädern. Alles okay. Kein Spiel, alle Radmuttern sind noch dran. Aufsitzen und weiterfahren. Doch das Klackgeräusch lässt nicht nach. Wieder bleibe ich am Straßenrand stehen und halte meine Handinnenfläche auf die linke Felge. Sie ist sehr warm, obwohl ich seit mindestens 10 Kilometern nicht mehr bergab gefahren bin. Die rechte Felge ist kalt. Das bedeutet nichts Gutes.

Auf Thomas Zirkuswagen könnte man direkt neidisch werden
Auf Thomas Zirkuswagen könnte man direkt neidisch werden

Die Bremstrommel wird also auch ohne Bremsvorgang warm und irgendetwas bewegt sich im Inneren und macht undefinierbare Geräusche. Wir haben uns schon gestern mit Thomas Gelbach, einem Treckerfreund und Traktor-Freak per Email verabredet, der mit zwei anderen heute früh von Hatzfeld an der oberen Eder mit seinem alten Deutz und einem professionell umgebauten Bauwagen zu einem Kurzurlaub auf dem Weg in die Hochrhön ist. Wir wollen uns in Ziegenhain in dr Schwalm an einer bestimmten Tankstelle gegen 11 Uhr treffen. Ich bin missmutig und gebe die Hoffnung fast auf, Thomas und seinen Kollegen rechtzeitig zu begegnen. Zu oft halten wir an, um den Wärmegrad der Bremstrommel und der Felge zu überprüfen und fahren mit einer Maximalgeschwindigkeit von 18 km/h weiter. Erst um halb Zwölf sehen wir die Tankstelle vor uns und nicht nur das. Genau im selben Moment biegt Thomas von Norden aus kommend in die Tankstelle ein. Das war kein Timing, sondern eher ein Wunder, dass wir trotz unserer Schleichfahrt zeitgleich angekommen sind. Nach herzlicher Begrüßung schauen wir uns sein Gespann einmal aus der Nähe an.

An Karls Porsche-Traktor ist der Anhängerbolzen abgerissen. Karl (liegend) und Bernd schrauben mit vereinten Kräften unsere ungenutzte Hängerkupplung ab
An Karls Porsche-Traktor ist der Anhängerbolzen abgerissen. Karl (liegend) und Bernd schrauben mit vereinten Kräften unsere ungenutzte Hängerkupplung ab

Trecker wie Bauwagen, der eher wie ein neu restaurierter Zirkuswagen mit Oberlichtern aussieht sind ein Gedicht. Sein Freund Bernd, der Beituckerer, der neben Thomas auf der Doppelsitzbank hockt ist genau so sympathisch wie Thomas. Drei Minuten später kommt der zweite Gespannfahrer schwitzend um die Ecke gefahren und stellt sich neben uns auf. Es ist der Karl aus Hatzfeld mit seinem ebenfalls sehr schön restaurierten Porsche Super 308 L-Schlepper ohne Verdeck, der einen alten Caravan hinter sich herzieht. Wir machen uns bekannt. Auch Karl ist ein toller Bursche. Er war schon einmal mit seinem 38 PS-Renner, Baujahr 1960 am Großglockner in Österreich und hat dort die stille Bergwelt unsicher gemacht. Ein tolles Trio, diese Männer!! Thomas macht uns darauf aufmerksam, dass wahrscheinlich unsere Bremsbeläge auf der linken Seite der Auflaufbremse hinüber sind und die gebrochenen Brösel diese Klackgeräusche hervorrufen. Oje! Das ist keine gute Diagnose. Und wir haben noch über 100 Kilometer zu fahren bis nach Hause. Karls Anhängerkugel an seiner Ackerschiene hat sich während der Fahrt gelöst und nur das Bremsseil hat den 700 kg schweren Caravan noch gehalten. Wir haben an unserer Ackerschiene einen hängen, den wir aber selten brauchen und bieten ihn Karl an. Er nimmt gerne unser Angebot an und im Schweiße ihrer Füße mühen sich Bernd und Karl ab, den angerosteten Kugelkopf von unserer Ackerschiene zu lösen. Aber es klappt nach einer Weile mit einem Lösungsspray. Dann öffnet Thomas sein Domizil, seinen Zirkuswagen und wir sind nur noch am Staunen. Da hat der Zimmermann mit eigener Firma aber ein wahres Meisterstück vollbracht. Man meint, in einer edlen Gaststube in den Schweizer Bergen zu sein, wenn man sich das Interieur anschaut. Man könnte neidisch werden. Wir sind es aber (fast) nicht. Nach einer Weile gehen wir alle in die nebenan liegende Wurstbude und essen uns satt. So eine Treckerfahrt macht Hunger und in der fröhlichen Runde der Treckerfreunde schmeckt es noch mal so gut. Nach langer Verabschiedung trennen sich leider unsere Wege wieder. Wir düsen mit 10 km/h nach Norden.

Ein starkes "Stück Deutz", der Schlepper aus dem oberen Edertal
Ein starkes "Stück Deutz", der Schlepper aus dem oberen Edertal

Die Drei nach Süden. Die Klackgeräusche verstärken sich und ich habe arge Bedenken, heute noch an unserem Zielort, einem Campingplatz bei Niedenstein im Habichtswald anzukommen. Erst nach 6 Stunden angestrengter Zuckelfahrt kommen wir am Waldcampingplatz in Niedenstein-Kirchberg an. Sehr ruhig ist es hier und der nächste Ort liegt gute zwei Kilometer entfernt. Wie wir finden, ist dieser im Wald versteckte Platz an dem Flüsschen Ems der ideale Ort besonders für Ruhe suchende Großstädter. Kein Verkehrslärm, ein schön angelegtes, weitverzweigtes Gelände und Natur pur. Wir sind am Campingplatz „Zur Weißenthalsmühle“ angelangt. www.online-camper.de/weissenthalsmuehle

Und dann kommt die ganz große Überraschung: Unsere gemeinsame Freundin Petra aus dem Diemeltal erscheint plötzlich mit ihrer Schwester Michaela wie aus dem Nichts auf der Rasenfläche. Sie haben uns gesucht und gefunden. War nicht ganz einfach, uns auf die Spur zu kommen, wie beide betonen. Aber sie wollten uns einfach mal wieder Hallo sagen und uns vor den anderen Morgen begrüßen. Schon wieder Freude für uns. Ja, das ist echter Abenteuerurlaub, den wir bis zur letzten Stunde genießen und auskosten dürfen.

Um Neun ist heute Zapfenstreich. Die letzten drei Tage haben uns viel Kraft gekostet. Morgen ist ein neuer Tag und wir wollen doch ausgeruht bei unseren Lieben daheim ankommen. Also, husch ins Körbchen und Licht aus………………..

 

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