Heute geht alles sehr schnell. Um halb Sieben wird die letzte Infusion abgehängt und die Dauerkanüle gezogen. Ich bin endlich abgenabelt. Zum zweiten Mal nach fast 62 Jahren. Letzte Morgenvisite um halb Acht. Dann wird mir das „Trollsüppchen“ hereingereicht in Form eines umfangreichen Frühstücks. Eine Henkersmahlzeit sieht anders aus. Ich dusche und kleide mich reisefertig an. Und schon kommen zwei dienstbare Geister, um mein Bettzeug abzuziehen und das Bettgestell zu reinigen für das nächste Opfer.
Das Sanitätshaus kann leider nicht schon heute die Kompressionsstrümpfe liefern und ich vereinbare für Morgen auf dem Campingplatz einen Ankleidetermin mit der Inhaberin. Solange muss ich halt die schneeweißen Klinikstrümpfe tragen. Macht nichts. Hauptsache, die Venen werden irgendwie komprimiert und ich habe einen gewissen Schutz vor weiteren Thrombosen. Dann wird mir der ärztliche Entlassungsbrief ausgehändigt und ein Rezept über 20 Antithrombosespritzen, die mir in den nächsten 10 Tagen Barbara zweimal täglich in die Bauchhaut verabreichen wird. Ich verscheide und bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Station, die mich so gut betreut haben. Diese Abteilung, bzw. die ganze Uniklinik kann ich nur empfehlen. Hier wird man bestens versorgt und man wird in der Regel als Genesender wieder entlassen.
Gesund bin ich zwar noch lange nicht, aber das kommt noch. Ich arbeite daran. Da meine Krankenkasse einen Heimtransport zum Bauwagen finanziell nicht übernimmt wird mir ein Taxi gerufen, das prompt schon 10 Minuten später vor der Tür steht. Der sehr nette syrische Taxifahrer ist gesprächig und erzählt mir von seinen langen Reisen in seine schöne Heimat. Auch die Traktormarke „Zetor“ ist ihm von Syrien her bekannt. Der tschechische Hersteller exportiert auch in dieses Land, was ich aber schon wusste. Der Fahrer setzt mich vor dem Bauwagen ab und lässt es sich nicht nehmen, gleich mal ein paar Fotos mit seinem Handy von unserem Gespann zu schießen. Barbara ist erstaunt, dass ich so früh schon da bin. Unsere Bude ist blitzsauber und es gibt erst mal einen Kaffee zur Begrüßung. (Nach dem Begrüßungskuss.) Dann schwinge ich meine weißbestrumpften Beine und den traurigen Rest meines Korpus in die Treckerkabine und wir fahren runter an den Stadtrand, um in einem Einkaufszentrum Lebensmittel einzukaufen. Unser Zetor ist schon beim ersten Anlassversuch klaglos und kräftig angesprungen. Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Beim Gehen habe ich immer noch Schmerzen im Blasengrund und ich trete deshalb sehr vorsichtig auf. Ein „Eiertanz“ auf unebenen Wegen.
Der Einkauf ist nicht unanstrengend und wenig später hocken wir bei einem Thai-Imbiss und lassen uns gebackene Nudeln mit „Schmackes“ munden. In der Klinik hat mir das Essen besser geschmeckt. In einer Apotheke müssen meine Injektionen erst bestellt werden. Zu selten kommt dieses Rezept dort auf die Theke. Um siebzehn Uhr fahren wir nochmals runter zur Stadt und holen das Bestellte ab. Ich bin etwas erschöpft und liege schon um 21 Uhr in der Koje. Der Papst ist überall und auf jedem Fernseh- und Radiosender gegenwärtig. Wie ich von dem Platzinhaber höre, dürfen Anwohner wenn der Papst die Innenstadt durchfährt weder die Fenster öffnen oder am Fenster stehen. Wer da einen Hund hat, der mal Gassi gehen muss wird angewiesen, die Polizei anzurufen, damit er sich unter staatlicher Aufsicht unpäpstlich lösen kann. Ich meine den Hund. Das ist jetzt kein Scherz, sondern die traurige Wahrheit. Ältere Freiburger erhielten in den letzten Tagen von der katholischen Kirche Bettelbriefe, wo für den Besuch des Heiligen Vaters gespendet werden soll. Und ich Unbedarfter dachte immer, die katholische Kirche würde den hohen Besuch und die 13 Millionen, die das Spektakel kostet durch die Kirchensteuer begleichen, so wie es in den Zeitungen zu lesen war. Auf dem Campingplatz ist noch wenig los. Erst am Freitag wird jeder Stellplatz belegt sein und viele Pilger aus dem In- und Ausland werden von hier etwa 500 Meter bergabwärts auf ausgewiesenen Papstparkplätzen mit 800 Shuttlebussen zur Innenstadt gebracht, wo sie dann von der Polizei eskortiert die letzten Kilometer auf dem Pilgerweg zu Fuß gehen müssen.
Vielleicht kann ich ja dann meine erste Garnitur Stützstrümpfe an venenschwache Pilgercamper verleihen, um wenigstens eine Tankfüllung Dieselkraftstoff herauszuholen. Mal sehen, was ich da tricksen kann. Barbara findet leider alle meine Ideen ein wenig „abwegig“ und schaut noch mal auf die Beschreibung der Injektionen, ob mein Denkzustand vielleicht dadurch Schaden genommen hat. Doch sie findet nichts dergleichen. Die Nacht verschlafe ich leider, so dass mir erst am kommenden Morgen neue Ideen kommen können. Wir sind Papst! Wir sind Kompressionsstrümpfe! Es lebe die dreifaltige Zweifältigkeit!