Finnland – 02.06.11

2. Juni

Straßennamen immer zweisprachig-finnisch-schwedisch
Straßennamen immer zweisprachig-finnisch-schwedisch

In aller Herrgottsfrühe wälzen wir uns aus der Koje. Die deutsche Zeit zeigt fünf Uhr. Die finnische sechs Uhr. Ich entscheide mich für Halbsechs.  Ich bin noch hundemüde vom langen Schreiben in der Nacht. Aber wir haben eine anstrengende Strecke vor uns und wollen sehr früh losfahren. Nach 136 Kilometern soll uns die Hauptstadt der Finnen begrüßen. Barbara hat die Route gut geplant. 

Fast menschenleer ist die mittelgroße südfinnische Stadt „Kouvola“, als wir kurz nach Sieben mitten durch die City fahren müssen. Heute ist Himmelfahrt. Vatertag! Ja! Aber Vater muss arbeiten. Trecker fahren. Fast alle Geschäfte sind geschlossen. Eine fast gespenstische Ruhe auf allen Wegen. Nur die „Gassigeher“ und Zeitungsboten sind unterwegs und schauen uns ungläubig nach. 

In der Metro, der Helsinkier U-Bahn
In der Metro, der Helsinkier U-Bahn

Der Zetormotor brüllt los, als ich vor einer fast roten Ampel das Pedal voll durchtrete. Alle Achtung, an Himmelfahrt schafft er sogar sechsundzwanzig Sachen. Eine „Himmelfahrt“ eben. Die Nebenstrecke, die wir uns ausgesucht haben ist sehr, sehr reizvoll. Berg und Tal, an blühenden Löwenzahnfeldern vorbei rauschen wir in Richtung Meer. Die Landschaft wird nicht gerade eben, aber sie ist seit Wochen ungewohnt schaltfaul zu bezwingen. Alle Ortseingangsschilder und auch die Straßennamen sind schon 80 Kilometer vor Helsinki zweisprachig angegeben. Finnisch und schwedisch. Das hat sicher eine besondere Bedeutung, deren Ursprung aus früherer Zeit stammt. 

An einer Tankstelle nehmen wir einen Imbiss und füllen das stählerne Auffanggefäß für die Motorunterhaltung bis zum Stutzen auf. 38 Liter sind es nach der Anzeige auf der Zapfsäule. Wieder mal knapp berechnet, denn unsere Tankanzeige steht auch bei voller Tankfüllung auf Dreiviertel. Der Verkehr nimmt schon lange vor Helsinki zu. Immer häufiger kommt es vor, dass uns Autofahrer im Vorbeischleichen fotografieren oder uns an der nächsten Haltebucht mit ihren schwarzen Kästen auflauern. Die Finnen scheinen in ihrer eigenen Art, ausländische Traktoristen mit fotografischen Aktionen zu erfreuen, eng mit den Dänen, den Schweden und den Norwegern verwandt zu sein. Nichts desto trotz ist uns das aber nicht unangenehm. Wir betätigen unsere „Flirthände“ verstärkt.

Mitten in der Hauptstadt, 3 Gehminuten von der "Metro" unser Standplatz
Mitten in der Hauptstadt, 3 Gehminuten von der "Metro" unser Standplatz

Wir freuen uns sehr auf die Metropole am Meer. Sankt Petersburg liegt beinahe auf demselben Breitengrad. Und ich … freue mich darauf, bald mit meiner ganzen Länge wieder im Liegestuhl zu liegen. Der Rücken wird doch arg strapaziert an manchen Tagen. Der innerstädtische Campingplatz „Rastila“ ist nicht besonders schön gelegen. Umgeben von Hochhäusern auf der einen Seite und einem Wäldchen auf der anderen bekommen wir das erste Mal einen Stellplatz auf einer Gittersteinfläche zugewiesen. Wir sind eben sehr verwöhnt vom einsamen Norden und der Ruhe dort. Die vielgerühmte finnische Seenplatte liegt hinter uns.

Vor dem größten Kaufhaus Finnlands in Helsinkis Mitte "Stockmann"
Vor dem größten Kaufhaus Finnlands in Helsinkis Mitte "Stockmann"

Etwa 4800 Kilometer sind wir bis jetzt gefahren. Das allein ist schon eine gewaltige Leistung für so einen betagten Ackerfreund. Der vor uns liegende Platz kostet 32 Euro und es gibt nicht einmal eine Cafeteria oder einen Kiosk hier. Dafür sind die jungen Damen an der Rezeption sehr bemüht und geben umfassend Auskunft. Auch Wlan-Anschluss gibt es. Sogar kostenlos. Dafür fehlen schattenspendenden Bäume.

Fast alle Stellflächen sind belegt. Erstaunlich! Wir sind eben in der Hauptstadt und nicht mehr auf dem platten Land. 

Ein steter Wind weht vom nahen Meer herüber über die ebenen Flächen und lindert ein wenig die Sonnenstrahlen, die es heute besonders gut mit uns meinen. Wir bekommen vielfältige Kontakte innerhalb von Minuten. Ein kleiner achtzigjähriger Franzose begrüßt mich vor dem Bauwagen mit Freude. „Isch abe Ihne begägnet in Russenes Norwäge auf Rue ünn wir aben uns angewunken, mon Ami, mon Monseur!“ Ach ja. Uns sind täglich zig Wohnmobile begegnet und ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an den kleinen Napoleon erinnern. Vielleicht war er auch hinter dem Steuer nicht zu erkennen.  

Vor der "berüchtigten" Zetor-Bar
Vor der "berüchtigten" Zetor-Bar

Neben uns steht ein Wohnmobil mit Kasseler Kennzeichen. Zufall oder Schicksal? Die Leute sind in Ordnung. Am Abend treffen wir auf ein Pärchen, die mit ihrem speziell umgebauten Landrover zwei Plätze weiter stehen. Der Mann spricht englisch, die Frau ein merkwürdiges Deutsch, dem Holländischen ähnlich.  

Und…ich kann es kaum fassen, beide sind mit ihrem Fahrzeug von Südafrika, wo sie zuhause sind, bis hierher gefahren und wollen weiter nach Norden. Da müssen wir uns aber hinter den beiden gut verstecken denke ich, aber der Mann sagt, so ein Gespann wie unseres hätte er noch auf keinem Campingplatz erlebt auf ihren Weltreisen und schießt Fotos. Beide fotografieren leidenschaftlich und haben sogar im letzten Jahr ein Buch über ihre Reisen herausgebracht, das sie mir Morgen zeigen wollen.  

Zu solch rhythmischen Klängen muss man einfach sein Scherflein geben
Zu solch rhythmischen Klängen muss man einfach sein Scherflein geben

Der Internetanschluss funktioniert nicht. Andere Camper sind auch enttäuscht. Das Signal ist zu schwach und bei der Rezeption hat man keine Möglichkeit, sich mit seinem Laptop niederzulassen. Keine Sitzbank, kein Stuhl, kein Raum. Schade, schade, schade! Und das in Helsinki. 

Die Sanitärräume gehen einigermaßen. Auch hier sehe ich in den Toiletten die Handbrausen hängen und ich muss selber schmunzeln, wenn ich an meine Berichte über diese exponierten Anlagen denke. Wie gut, dass es noch keine computergesteuerten Anlagen  gibt. Das gäbe sicher ein unheilvolles moralfäkalisches Desaster. Wir merken am späten Abend, als wir den Wasserhahn im Wagen über der Spüle aufdrehen wollen, dass kein Batteriestrom mehr da ist.

Alle Sicherungen sind noch drin und die Zuleitungen vom Trecker aus sind unbeschädigt. Seit dem Einbau der neuen Lichtmaschine sind aber vor etwa drei Wochen zwei Kabel an dem Stromerzeiger nicht mehr angeschlossen worden, da die Werkstatt sie für überflüssig hielt. Vielleicht liegt es daran und die zweite Batterie konnte dadurch nicht mehr geladen werden. Ich muss einen Autoelektriker auf dem Platz ausfindig machen, der mit einem Stromprüfer die Anlage testet. Es ist etwas mühselig, das Kaffeewasser und das Spülwasser aus dem Kanister zu entnehmen. Wir werden auch diese kleine Panne überstehen. Es gab schon weitaus größere………………..

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

fünf × vier =

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen