Finnland – 22.05.11

22. Mai

Die Bushaltestellen sind manchmal wahre Kunstwerke
Die Bushaltestellen sind manchmal wahre Kunstwerke
Es gibt zuweilen noch viel höhere Hausnummern
Es gibt zuweilen noch viel höhere Hausnummern

Um Acht waschen wir uns den Schlaf aus den Augen, frühstücken kurz und freuen uns, dass der Dauerregen, der in der Nacht aufs Wagendach heruntergeprasselt ist, aufgehört hat. In den Trecker hat es wie gewohnt zu beiden Seiten reingeregnet. Barbaras Sitzauflage ist nicht nur feucht, sie ist durchdrungen von finnischem Waldwasser. Sie legt eine Decke darüber und schlingt die Enden über ihre Beine. Auch ich fahre oft bei kalter Witterung mit einer über den Schoß gelegten Wolldecke. Ich gebe Gas. Wir haben aber gestern gerade von einem Einheimischen erfahren, dass die Strafe wegen zu schnellen Fahrens drakonisch sind in Finnland. Sie wird nach dem Einkommen berechnet und man muss der Polizei sein Monatseinkommen schriftlich darlegen. Ich drossele den Motor sofort wieder. Wieder regnet es. Wie gut, dass uns unser freundliches Autohaus in Hofgeismar eine Nano-Versiegelung auf die Frontscheibe aufgebracht hat. So perlt das Wasser gut ab und die Sicht bleibt klar auch ohne Wischertätigkeit.  Und schon wieder geht es über „die finnischen Berge.“ Nicht ganz so hoch sind sie und auch relativ schneearm. Wir freuen uns wie Kinder, als wir die erste Wiese sehen, die schon etwas grün ist. Das haben wir sehr vermisst. Zwei Traktoren, ein grüner Valtra und ein New Holland überholen uns. Die Fahrer winken uns zu. Valtra fahren sie überwiegend in Finnland. Große starke Maschinen mit Allradantrieb. 

Uns fällt auch auf diesem Streckenabschnitt wieder auf, dass die Hausnummern sehr hohe sind. 7910 lesen wir und bleiben stehen, um ein Foto davon zu machen. Sonst glaubt uns doch niemand. Man stelle sich z.B. vor, man würde in der Teichstraße 6910 wohnen oder auch in der  Kavalleriestr. Nr. 4211 in Hofgeismar. Unvorstellbar! Heute ist Sonntag und wir haben beide keine große Lust, eine sehr lange Strecke zu tuckern. Der Zetor braucht auch mal eine Erholungsphase. Nach „Kersilö“ folgt die Stadt „Sodankylä,“ die am Fluss „Kitinen“ liegt. Genau sieben Tankstellen gibt es hier. Was andernorts nur alle 70-80 km vorhanden ist, gibt es hier gehäuft. Ein Schlaraffenland für Langstreckentreckerfahrer. Etwas oberhalb der Stadt auf demselben Breitengrad liegt die norwegische Stadt „Kiruna“ oder auch die russische Stadt „Archangelsk.“ Nur damit man mal eine Ahnung davon hat, wo wir gerade in Finnland sind. Immer noch hoch oben im Norden Europas oberhalb des Polarzirkels. Nach Helsinki sind es noch exakt 1044 Kilometer gleich 9 Tage. In „Sodankylä“ gibt es sogar einen Lidl-Markt. Erstaunlich! Ob wir ihn Morgen mal aufsuchen? Uns fiel auf, dass es in Finnland keine Ein -und Zweicent -Stücke gibt. Wir wollten in einem Geschäft einmal die geforderte Summe genau hingeben, da schüttelte die Verkäuferin den Kopf und erklärte in Englisch, es gäbe nur 5-Cent-Münzen und das darüber. Auch eine landestypische Eigenart. 

Hinweistafel bei "Sodankylä"
Hinweistafel bei "Sodankylä"

Der angesteuerte Campingplatz am nahen Strom ist erwartungsgemäß erst ab 1. Juni geöffnet. Wir rufen den Besitzer an. Es klappt mal wieder. Wir dürfen hier stehen und sogar einen Stromanschluss gibt es. Doch irgendwas funktioniert nicht. Kein Licht brennt. Wir schauen beide die Sicherung am Stromkasten nach und auch unsere eigene unter der Spüle im Wagen. Alles ist in Ordnung. Wir stecken mehrere Kabel um und am Schluss schließen wir unseren kleinen Wasserkocher direkt an der Stromzapfsäule an. Der Strom fließt. Die Leitung, die von uns aus nach draußen kommt schraube ich an der Steckdose auf. Ein Kabel ist am Anschluss abgebrochen und hängt daneben. Kein Wunder, dass wir keine Verbindung herstellen konnten. Die Toiletten des Platzes und die Duschen sind aber nur im zweiten Sanitärgebäude geöffnet. Das  liegt stramme vier Gehminuten , etwa 500 Meter bergauf von uns entfernt. Wenn man dann vorhat, seinen Bedürfnissen nachzugehen, kann es unterwegs passieren, dass man durch die weite Wegstrecke und das laute Keuchen bergauf dermaßen abgelenkt wird und vergisst, zu welchem Ziel man eigentlich unterwegs war. Hoffentlich passiert mir das nicht. Das könnte im wahrsten Sinn des Wortes in die Hose gehen. Wir müssen am Nachmittag die Fenster und die Tür öffnen, so warm wird es auf einmal.

Stiller "Genießer"
Stiller "Genießer"

Um 21 Uhr schneit der junge Platzinhaber hinein, nimmt uns nur 10 Euro ab, macht Fotos, bekommt Prospekte und eine Visitenkarte von uns mit und verschwindet wieder.  Ein Däne, der auch hier campieren will, klopft an die Tür und will wissen, was es mit unserer Reise auf sich hat. Wir erklären. Auch er zückt seine Nicon-Camera und fotografiert alle Seiten. Ein weiterer Camper bringt gleich ein sehr hohes Stativ mit und ein halb Meter langes Teleobjektiv und filmt drauf los. Wir sind es gewöhnt, im Focus der Reisenden und der Presse zu stehen. Am Anfang haben wir uns schon gewundert über die Neugier und das Interesse. Jetzt aber nehmen wir es gelassen hin. 

Wir gehen im Supermarkt einkaufen. Ja, auch die Finnen haben fast alle Läden auch sonntags geöffnet. Noch etwas zu Finnland: Es gibt 188’000 Seen, nur 5,3 Millionen Menschen  und 17 Einwohner auf einem km2. Der  bekannteste Formel 1- Fahrer ist der Finne Mika Häkkinen und in Finnland leben der Pisa-Studie zufolge die klügsten Schüler. Das Handy-Netz ist weltweit das dichteste. Der Finne nimmt es sogar mit ins Bett und auf’s stille Örtchen. Wie erholsam. Nokia lässt grüßen.

‚Ich liebe dich’ heißt in der Sprache der Samen“ Mun rakistan du !“ Und danke heißt „giitu.“ So einfach!!? Die andere Seite Finnlands, die dunkle, ist die, dass die Selbstmordrate die höchste in Europa bei Männern zwischen 15 und 65 Jahren und die Alkoholexzesse unter den Jugendlichen besonders an Freitagen nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist. Und noch etwas Witziges, wenn auch schon für uns Bekanntes: In Finnland schließen auch alle Türen ob außen oder innen linksherum. Ein Ungeübter mag sich dann schon mal tüchtig abzappeln, wenn er wieder das stille Örtchen verlassen will und nicht mehr hinaus gelangt. Daher sind auch viele Schlösser unbrauchbar und man hilft sich in der Not, wenn weitere eilige „Kunden“ den Raum betreten mit Zurufen in verschiedenen Sprachen, wie zum Beispiel: „Stopp! Here is sitting bull of a watercloset!“oder auch auf Finnisch: „saanko ruokalistan!” (Die Speisekarte bitte !) Oder so ähnlich. Wie gut, dass ich bisher bei diesen Zurufen noch keinem Jäger begegnet bin, der mit der Flinte in der Hand die Örtlichkeit betreten hat. Ich meine wegen des „Sitting bulls.“ Der weitere Verlauf des Tages verläuft ohne besondere Vorkommnisse.

Die Leberwurst aus der Dose schmeckt am Abend mit dem frischen finnischen Schwarzbrot einfach erstklassig.

Nochmals danke, Familie Horn!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

9 + fünf =

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen