Finnland – 25.05.11

25. Mai

Wir sind gerade so eben mit der kleinen Morgentoilette fertig geworden, da fahren zwei Wagen vor. Ein jüngerer und ein älterer Mann steigen aus. Der Jüngere hält eine Mappe in der Hand, der Ältere zückt seine Spiegelreflex raus und fotografiert. Ich beeile mich mit dem Rasieren und trete auf den Balkon. Beide geben mir freundlich die Hand und machen ein erwartungsvolles Gesicht. Ich weiß noch immer nichts mit dem sehr frühen Besuch an diesem Morgen anzufangen. Der Ältere spricht mich auf schwedisch und wenig später auch auf englisch an und zeigt auf die Zeitungsausschnitte aus Schweden und Norwegen zu beiden Seiten der Traktorscheiben, die ich in Klarsichtfolie gut sichtbar angebracht habe. Er liest mir den Anfang des schwedischen Berichtes fast flüssig in schwedisch vor, was mich schon wundert. Dann gibt er sich als Chefredakteur der örtlichen Presse des Städtchens „Ranua“ aus und überreicht mir sogleich eilfertig die neueste Ausgabe. Er hat mal achzehn Jahre in Göteborg mit seiner Familie gewohnt. Aha! Die Zeitung nennt sich „Kurieri“ und erscheint täglich, wie ich im Impressum später nachlese. Ich bitte beide Herren in die gute Stube. Einer von beiden hat sich besonders gut parfümiert, was mit dem Duft des frisch gebrühten Kaffees nicht so gut harmoniert. Barbara hat schon begonnen den Frühstückstisch zu decken, unterbricht aber sofort. 

Achtspurige Landstraße! Na, so ein Luxus für unseren Ackerschlepper!
Achtspurige Landstraße! Na, so ein Luxus für unseren Ackerschlepper!
Genau soo isses!
Genau soo isses!

Der Jüngere ist der Platzwart. Ich fülle das obligatorische Anmeldeformular aus, zahle nur 15 Euro für diesen pikfeinen, supermodernen Platz und verteile Prospekte an beide. Der Jüngere dankt und verlässt den Wagen. 

Mit dem Redakteur kommen wir gut ins Gespräch, obwohl uns beiden schon mächtig der Magen knurrt. Das merkt er wohl auch bald und verspricht uns die Zeitung vom 26. Mai nach Hause zu schicken. Online kann man sie leider nicht nachlesen. So werden sich unsere Kinder freuen, wenn diesmal Post aus Finnland kommt und sie ihre Eltern wohlbehalten und strahlend in einer Zeitung vorfinden. 

Gestern sind wir ganze 135 km gefahren. Heute soll es weniger werden. Abwarten. Wir sichten die ersten Kühe seit Anfang April und sehen die noch sehr feuchten bestellten Äcker. Löwenzahn dominiert. Zaghafte erste Triebe der Birken zeigen sich in hellgrüner Farbe. Die letzten Eisreste in den Gräben registrieren wir in Höhe „Siivikko.“ Die Vegetation schreitet fort. Wie erbaulich! Die Camping- und Stellplätze sind auch in Finnland im nördlichen Landesteil nicht so dicht gesät. Und tatsächlich. 80 km weiter südlich in der Stadt „Pudasjärvi“ füttern wir den Tank, in dem wir Geldscheine in einen raffgierigen Schlitz neben der Tanksäule schieben. Da kommt ein etwa sechzigjähriges finnisches Ehepaar auf uns zu und … fotografiert Tante Paula. Besonders den Schriftzug. Das hat seinen Grund. Die Frau heißt „Paula.“ Wir geben Flyer ab und unterhalten uns nett. Sie sind im Urlaub hier und schwärmen von der Stadt, die wir aber nicht näher zu Gesicht bekommen, da uns die Zeit unter den ungeschnittenen Nägeln brennt. Sie kommen aus Südfinnland, aus „Kourvola“, nordöstlich von Helsinki und sind ab der kommenden Woche wieder Zuhause. Wir bekommen überraschend eine Einladung von den beiden. Auf der Durchreise in etwa acht Tagen sollen wir sie unbedingt besuchen. Na so was! Eine genaue Adresse bekommen wir auch und versprechen, vorbei zu kommen, da der Ort auf unserer Route liegt. Das wird sicher wieder sehr spannend. Ist eben Abenteuerurlaub.

Dieses Warnschild begleitet uns nun schon seit Wochen
Dieses Warnschild begleitet uns nun schon seit Wochen

Dann beginnt die Suche nach einem Übernachtungsplatz. Der nächste, der verzeichnet ist, liegt aber weitere anstrengende 85 km weiter südlich. Also Augen auf und schauen, ob es einen Privaten gibt, der nicht in den Unterlagen verzeichnet ist. Pustekuchen! Wir überqueren mühsam einen Seitenarm des „Oulu-Gebirges“ und suchen und suchen. Es bleibt uns letztendlich nichts übrig, als den einzig an diesem Tag erreichbaren Campingplatz anzusteuern. Er liegt am Rande von „Puolanka.“ Sehr erschöpft nach neun Stunden Fahrt und 165 Kilometern kommen wir dort an. Der Platz wurde vor 40 Jahren eröffnet und hat den Charme der 70er Jahre behalten. Ist wohl was für eingefleischte Nostalgiker. Die sanitären Anlagen hätten in den neunziger Jahren erneuert werden müssen. Die Zeit ist aber hier stehen geblieben. Wir stehen auch und zwar auf einer Wiese in der ersten Reihe vor dem See. Die nette Inhaberin, die wir telefonisch erreicht haben weist uns keinen Platz zu. Wir können uns dahin stellen, wo wir wollen hat sie gleich am Telefon gesagt. Wir sind wieder mal die einzigen Kunden hier auf der Fläche mit einhundert Stellplätzen. Dafür kostet die Übernachtung satte 22 Euro. Egal! 

Wir brutzeln uns ein paar Hähnchenschenkel in der Pfanne, schauen uns schleppenden Schrittes den blauen See vor uns an, unterhalten uns kurz mit der Besitzerin, die verzweifelt versucht, mit ihrem neuen Handy ein Foto zu machen und verschwinden schon um 23 Uhr im Alkoven-Himmelbett. 

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