19. Mai
Schneeflocken werden leise vom Fjord zu uns herübergeweht. Sie lassen uns kalt. Wir fahren kurz nach Neun los. Auf der Strecke überholt uns ein grauer Wagen und gibt Lichthupe. Wir erkennen den „guten, alten Anthon“ vom „Finnmark Dagblad“ wieder, der gestern einen Artikel in dieser Zeitung über uns veröffentlicht hat. Freudestrahlend überreicht er uns die Ausgabe, die wir uns aber schon in Honningsvag besorgt hatten, als wir vom Nordkap zurück kamen. Nun haben wir drei Exemplare. Wir danken und fahren weiter. Die Leute, die uns entgegen kommen, blinken uns an und winken uns derart zu, dass man meinen könnte, sie seien gute Freunde. Das war zu erwarten.
60 km weiter, in der Stadt Lakselv (Lachsfluss) füllen wir den Tank auf und werden im Zeitungsständer der Esso-Tankstelle fündig. Die Kassiererin grinste auch so seltsam, als wir bezahlen wollten. Auf der Titelseite der regionalen Tageszeitung „SAGAT“, direkt neben dem Logo oben rechts prangt ein großes Foto in Farbe, das uns vor dem Gespann stehend zeigt mit dem fettgedruckten Hinweis auf die Seiten 14 und 15. www.sagat.no
Das ist genau die Mitte der Zeitung und wenn man sie in die Hand nimmt, öffnet sich automatisch die geheftete Mitte wie bei allen gehefteten Zeitungen. Wir staunen! Über beide Seiten verteilt die fette Überschrift in norwegisch: „En annerledes bryllupsreise !“ Eine besondere Hochzeitsreise! Und meint den Tag der Abreise aus Deutschland, unseren 35. Hochzeitstag. Der Bericht ist sehr professionell aufgesetzt. Der Redakteur Roger muss einige Zeit damit zugebracht haben, die vielen Seiten unserer Homepage durchzustöbern, da er Dinge über uns schreibt, die wir ihm an der Straße vier Tage zuvor nicht mitgeteilt haben. Er berichtet auch von unseren ungezählten Pannen und über unseren Mut, so eine lange Reise anzutreten. Ich werde demnächst auch diesen Artikel online stellen. Nochmals ein herzliches Dankeschön, Roger, für Ihre großartige Arbeit. Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis!!
Nun müssen wir ja bekannterweise die ganze Strecke bis nach Karasjok zurück fahren. 138 km sind es. Die Zeit wird uns trotzdem nicht lang. Immer wieder heben wir die Hand zum Grüßen, wenn uns auf der gesamten Strecke die Leute zuwinken. Nun sind wir auch in der Finnmark bekannt.
In der sehenswerten Samenstadt angekommen, überlegen wir uns kurzerhand, noch 30 km weiter zu fahren bis über die finnische Grenze hinaus, da wir keine Öre mehr in norwegischem Geld haben und auch nicht nochmals zu einer Bank gehen wollen, um Geld zu ziehen. Bei einer kleinen Rast am Rande der Stadt kommen zwei Männer in dunklen Anzügen auf uns zu. Ein jüngerer und ein älterer. Beide tragen so eine Art Fellturban und reden, als sie wortreich vor unserem Reisegefährt stehen in einer Sprache miteinander, die ich nicht zuordnen kann. Unser bunter Hänger scheint ihnen sehr zu gefallen, denn sie bitten uns, ob sie auch einmal hinein schauen könnten. Das geht leider nicht auf die Schnelle, bedeute ich beiden. Ihr norwegisch hat einen starken Akzent. So reden wir auf englisch weiter. Der Eine überreicht mir sogleich eine Broschüre in englischer Sprache. Titel: „The review of Religions – a message of peace.“ Wir tauschen Visitenkarten aus. Beide Herren leben in Oslo, sind Muslime und Imame und wollen die Worte Allahs ins Samenland tragen. Na, viel Vergnügen! Sie stammen aus Afghanistan und wundern sich sehr über so verrückte Deutsche, die mit einem alten Traktor unterwegs sind, um Land und Leute zu erkunden. So etwas gäbe es nicht in ihrem Heimatland.
Es geht schon auf 18 Uhr zu und wir haben noch weitere 30 km zu fahren, um zum nächsten Campingplatz direkt hinter der Grenze zu kommen. Wir überqueren die Grenze zu Finnland in 30 Sekunden und schon nach 500 Metern sind wir im Örtchen „Karigasniemi“, in dem wir einkaufen gehen. Euroland! Das finnische Bauernbrot kommt unserem deutschen gleich. Wir kaufen einen dicken, runden Laib. Riecht das gut! Ein Mann mit zwei Kindern im Auto ist schon eine ganze Zeit hinter uns hergefahren und spricht uns vor dem Supermarkt auf deutsch an. In der Hand hält er einen Ausriss aus der heutigen norwegischen Zeitung. Ein Pfitzelchen Papier nur. Ich erkenne den Hinweis auf unsere Homepage darauf. Er sagt, er hätte einen 50jährigen Hanomag- Traktor im Schuppen stehen und fragt, ob wir ihn sehen wollen. Das verneinen wir bedauernd, müssen wir doch noch einen Schlafplatz suchen. Auf einer Entfernung von 10 km gibt es gleich drei Campingplätze. Einer davon, der erste nach der Grenze ist sogar vom ADAC ausgezeichnet. Die beiden anderen werden privat geführt.
Wir haben Pech! Alle drei sind mit einer Schranke verschlossen und öffnen erst Anfang bis Mitte Juni. Ein Gotteshaus an der Hauptstraße mit einem recht großen Parkplatz davor lässt mich anhalten. Ob wir da über Nacht stehen dürfen? Wir schwanken. Wir fahren ein Stück weiter und sehen eine Einfahrt. Hier war wohl mal ein Campingplatz, nahe einer „Bosch-Werkstatt.“ Barbara sucht einen Menschen auf diesem leeren Platz und findet auch einen. Ein netter Mittfünfziger im „Kaki-Look“ und Gummistiefeln gibt sich als Besitzer des Platzes aus, der schon seit Jahren geschlossen hat. Sind wohl zu viele hier in der Konkurrenz gewesen. Er erlaubt uns, in der Nähe seines Wohnhauses in einem lichten Kiefernwäldchen stehen zu dürfen. Sogar Strom bekommen wir von seiner Kabeltrommel aus dem Haus geliefert und er zeigt uns außen am Haus, wo wir Wasser zapfen können. Nur eine Toilette gibt es leider nicht. Wäre auch zu viel verlangt. Schnell haben wir aufgebaut und uns häuslich eingerichtet. Der Heizlüfter brummt und das frische, finnische Brot und eine heiße Bouillon dazu heben wieder unsere Stimmung, die zeitweise in den Keller gefallen war.
Wir stöbern noch eine Weile in verschiedenen Prospekten, um für den morgigen Freitag einen Platz zum Übernachten zu suchen. Wir werden Morgen Abend am bekannten „Inari-See“ sein. Den kenne ich schon seit Jahren…
Vom Kreuzworträtsellösen!