Polen – 26.06.11

26. Juni

Mein Gott! Das kann doch nicht sein! Total verschlafen wälze ich mich aus der Koje und komme aus dem Gähnen nicht mehr heraus. Die Sonne steht schon hoch am Himmel und Barbara liegt auch nicht mehr neben mir. Was ist passiert? Unsere Familienfotouhr zeigt mit dem kleinen Zeiger fast auf die Elf. Barbara kommt frisch geduscht und gestylt über die noch feuchte Wiese gelaufen. „Freu’ dich doch, dass du mal mehr als sechs Stunden geschlafen hast!“ sagt sie und dann der mütterliche Nachsatz:“ Kein Wunder, dass du „verschlafen hast!“ „ Wenn du auch erst nach Drei den Laptop abschaltest!“ Stimmt! Sie hat ja wieder mal soo recht. Danke, Mama!

Vor dem Rathaus in "Czaplinek"
Vor dem Rathaus in "Czaplinek"

Noch vor dem gemeinsamen Frühstück ruft unser agiler Norbert an. Um Eins haben wir einen Termin im Rathaus der Stadt Czaplinek. Der Bürgermeister und seine leitende Mitarbeiterin,  Frau “GOSIA NOWATZKA”, die gleichzeitig seine Chefsekretärin und die stellvertretende Standesbeamtin, sowie die Touristikmanagerin ist, wollen uns offiziell begrüßen. Heute? Am Heiligen Sonntag? Im Rathaus? Und dann die Aufregung. Was ziehen wir bloß an bei einem solchen „Staatsempfang? Mein schwarzer Anzug hängt zu Hause im Schrank und auch die angemessene Restkleidung befindet sich etwa 900 km weiter im „Westen.“ Allein eine Krawatte in schwarzrotgold und ein weißes, verknittertes Oberhemd fördere ich unter dem Bett im Stauraum zutage. Letztlich entscheide ich mich für ein knallrotes Freizeithemd, schwarze Jeans, freie Zehen und Sandalen.

Barbara hat natürlich mehr Auswahl. Sie ist richtig chic angezogen und ich fühle mich wie der „Dödel von nebenan.“ Rechtzeitig holt uns Norbert ab. Es ist kein Parkplatz zu finden, obwohl es davon im Stadtkern um die große, schöne Kirche herum genügend Parkraum gibt. Norbert erklärt: „Sonntags geht fast Eindrittel der Einwohner in die Kirche, etwa 1500  Leute.“ Deshalb finden wir hier keinen Parkplatz heute.“

Es ist die “Heilige Kreuzkirche.” Schräg gegenüber liegt die “Heilige Dreifaltigkeitskirche”, welche schon Ende des 14. Jahrhunderts errichtet wurde. Wir müssen in die Peripherie ausweichen und gehen ein Stück durch die romantischen alten Gassen zum Rathaus. Der ganze Platz vor Rathaus und Kirche wird vernehmlich mit großen Lautsprechern beschallt. Der Grund liegt darin, dass mehr Menschen den Gottesdienst aufsuchen, als die katholische Kirche Plätze hat. Daher stehen viele Gläubige um die Kirche herum und hören andächtig der Predigt und dem Orgelspiel zu. Wir können es nicht fassen. „Ist denn heute eine besonderer Tag?“ frage ich Norbert. „Nein, nein!“ gibt er zur Antwort. „Das ist ganz normal in Polen.“ Auch im tiefsten Winter strömen die Einwohner zu allen Tageszeiten in ihre Kirche, obwohl sie nicht beheizt werden kann.“ Wir können es nicht fassen. Das müsste einmal nur in einer der unseren Gotteshäuser so sein. Die Pfarrer würden vor Aufregung wegen des Massenandrangs sicher nicht mal mehr das „Vaterunser“ von der Kanzel predigen können. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass es noch so viele tiefgläubige Christen hier gibt und wünschte, ich wäre auch so fest im Glauben verwurzelt. Da kann einem ja gar nichts Schlimmes mehr passieren im Leben, wenn man täglich betet und seine „Untaten“ gleichzeitig beichtet. Wir sitzen auf einer Bank inmitten eines Blumenmeeres vor dem Stadtbrunnen und warten auf den Chef der Stadt.

Im Trauungssaal des Rathauses-die Standesbeamtin hat ihren Segen gegeben
Im Trauungssaal des Rathauses - die Standesbeamtin hat ihren Segen gegeben

Die Stadt zeigt sich sehr sauber und die Plätze und Hausfronten erinnern an Italien. Hier scheint ein sehr rühriger Bürgermeister bedacht darauf zu sein, dass „seine Stadt“ zu einer passablen Vorzeigestadt wird. Sie ist es schon und braucht sich hinter deutschen Kleinstädten nicht zu verstecken. Das wunderschöne Städtchen auf der Dramburger Seenplatte (Pojezierze Drawskie) im Süden von der westpommerischen Woiwodschaft befindet sich auf der Landenge zwischen den Seen Drawsko und Czaplino.  Früher hieß die Stadt Tempelburg. Außerdem ist die Stadt noch von drei anderen Seen und grünen Wäldern umgeben, was die einmalige Atmosphäre bildet. Auf Grund dessen ist Czaplinek von solchen Menschen besucht, die nach aktiver Erholung und richtigem Abenteuer suchen.  Czaplinek ( www.czaplinek.pl ) ist ein Platz, an dem man immer noch einen stillen und ruhigen Winkel finden kann. Hier kann man auch an verschiedenen Kultur- und Sportveranstaltungen teilnehmen, geräucherte Maräne oder Honig aus Drahim kosten und es gibt gute Einkaufsmöglichkeiten.  Durch die Stadt verlaufen fast alle Wanderrouten dieser Region. Die markierten Radwege beginnen am Markt von Czaplinek, sie gabeln hier und führen über die interessantesten und sehenswerten Plätze.

Die Altstadt von Czaplinek, die am Fuß der Templerburg (heute befindet sich dort die Dreifaltigkeitskirche) gelegen ist, bildet zusammen mit benachbarten Gassen ein charakteristisches Beispiel für die mittelalterliche städtebauliche Gestaltung. Während des Spaziergangs durch die Gassen des Städtchens sollte man seine Aufmerksamkeit auf das Holzdenkmal des Fischers Pawel Wasznik, das den Stadtmarkt verziert, richten. Die Sage dieser Gestalt ist mit dem Schloss in Drahim verbunden.

Wenn man in der Nähe ist, sollte man unbedingt das Museum Izba Muzealna besuchen, in der die Ausstellungsstücke von der Stadt, die nicht mehr existiert, sorgfältig gesammelt werden.

 

Gosia Nowatzka, die rechte Hand des Bürgermeisters übersetzt in fehlerfreies Deutsch
Gosia Nowatzka, die rechte Hand des Bürgermeisters übersetzt in fehlerfreies Deutsch
Geschenkübergabe an Herrn Bürgermeister Doroba
Geschenkübergabe an Herrn Bürgermeister Doroba

Er ist wohlweislich zu Fuß gekommen und daher etwas später da.  Wir werden herzlich mit einem langen Händedruck begrüßt und betreten das Rathaus mit seinem schönen Burgwappen über dem Eingangsportal. Wir dürfen im Trauungssaal Platz nehmen. Der Bürgermeister, er trägt den Namen “ZBIYNIEW DUDOR”  kommt mit uns in ein unterhaltsames Gespräch. Es werden nicht nur Freundlichkeiten und Floskeln ausgetauscht, sondern auch tiefergehende interessante Gespräche geführt. Seine sehr attraktive, junge  Mitarbeiterin übersetzt die Worte  in ein  fehlerfreies, gutes Deutsch. Wir dürfen uns Arm in Arm neben dem Sessel des Standesbeamten mit dem schönen Stadtwappen im Hintergrund aufstellen. Der Bürgermeister bietet sich an, uns mit unserem Apparat zu fotografieren und nimmt auch seinen zur Hand.

Wir haben ihm ein kleines Gastgeschenk mitgebracht.  Eine rotgestreifte Krawatte, die das Emblem des Landkreises Kassel aufgestickt hat. Mehr haben wir leider nicht! Dieses Geschenk haben wir uns für ganz besondere Menschen aufgehoben und hier passt es. Auch unsere gesamte Prospektserie vom Landkreis Kassel und der Kreisstadt Lauterbach im Vogelsberg haben wir zu einem kleinen Päckchen zusammengeschnürt. Das Geschenk kommt gut an. Der Bürgermeister ist sehr daran interessiert, eine Städtepartnerschaft zwischen Czaplinek und Hofgeismar anzustrengen. Wir versprechen, uns dafür sehr einzusetzen bei unserer Gemeindeverwaltung zu Hause in Hofgeismar und haben schon tausend Iden im Kopf, wie das laufen könnte.  Der Bürgermeister ist ein kerniger Mann mit „Biss“ und will seine aufblühende Stadt weiter zum Wohle der Bürger aufbauen. Dazu gehört auch eine Städtepartnerschaft und wir berichten sehr viel von unserem schmucken Hofgeismar an der „Deutschen Märchenstraße.“

Dann werden wir von beiden in ein nahes Cafe eingeladen. Mit dem „Achtsternebecher“ Eis haben wir schon unsere Mühe und der anschließende vollmundige Espresso schließt den Gaumenschmaus gegen 15 Uhr ab. Dann kommt noch eine riesengroße Überraschung, mit der wir im Traum nicht daran gedacht haben. Am Dienstag wollen beide zu uns auf den Platz kommen, um professionelle Fotos vom Bauwagen und von uns Globetrottern zu machen. Wir sollen mit Text und Fotos und auch mit unserer eigenen Homepage auf die offizielle Homepage der Gemeinde kommen. Wir Globetrotter mit unserem Zirkuswagen? Wir fühlen uns sehr geehrt und wissen gar nicht mehr, was wir sagen sollen. Seine leitende Angestellte  will mit ihrem alten Zetor kommen. Sie betreiben zu Hause nebenher noch eine kleine Landwirtschaft. Na, das wird eine Freude für mich sein, wenn wieder ein Oldtimertraktor der Marke „Zetor“ vor unserem Hänger parkt. Ich bin nicht sehr glücklich ohne unseren Wegbegleiter, der in der Werkstatt steht und „gerupft“ wird.

Norberts guter Freund Roman kommt zu Besuch
Norberts guter Freund Roman kommt zu Besuch
Der Bürgermeister bestellt einen leckeren Eisbecher für uns alle
Der Bürgermeister bestellt einen leckeren Eisbecher für uns alle

Dann die Frage des Bürgermeisters, ob wir unser Geschenk schon erhalten haben, das vor zwei Tagen an der Rezeption an unserem Campingplatz durch einen Mitarbeiter des Rathauses abgegeben wurde. Wir müssen verneinen. Wir werden heute Abend nachfragen, wenn wir wieder zurück sind.

Dann fahren wir zu ungewöhnlicher Mittagessenszeit zu Norberts Familie und sind wieder einmal des Lobes voll wegen der Kochkunst der Hausherrin. Ein Freund der Familie, Roman, ein großer Bauunternehmer kommt auch wenig später dazu und so sitzen wir noch eine ganze Weile auf der schönen Hochterrasse bei einer Tasse Kaffee in der Sonne und genießen den Blick auf den kleinen See und die Menschen, mit denen wir hier zusammensitzen dürfen. Roman will uns am nächsten Tag fünf Zeltstangen besorgen, damit wir endlich mal die Zetor-Flagge, die wir als Sonnensegel aufspannen wollen, nutzen können. Ein sehr netter Mensch, dieser Roman!!  Wir kommen übrigens nur mit netten und warmherzigen Menschen in Polen zusammen. Das tut gut. Zurück auf unserem Platz bekommen wir das Geschenk des Bürgermeisters ausgehändigt. Zwei wunderschöne, farbig gesaltete Bildbände über die Stadt Czaplinek und die Umgebung hier. Und das sogar in…Deutsch. Dazu gibt es noch mehrere ansprechend verpackte Honiggläser mit Bienennass aus der Gegend hier und diverse Flyer in Hochglanz. Wie können wir uns da nur bedanken?

Wir sind von den üppigen Mahlzeiten so satt, dass wir einen gut einstündigen Rundgang am See entlang unternehmen. Mein Gott, ist das hier schön! Diese Ruhe, dieses klare Wasser, dieser feine Sand, diese gepflegte Campingplatzanlage. Zweimal am Tag werden die Sanitärräume grundgereinigt. Schade, dass dieser Platz am „Drawsko-See“ noch keinen Eingang in das Campinghandbuch des ADAC gefunden hat. Wir würden ihm die Note Eins geben und viele bunte, goldene Sterne verteilen, besonders für das Management, das rund um die Uhr für Ordnung und Sauberkeit sorgt. Den ganzen Tag über sieht man die Angestellten an allen Ecken und Enden arbeiten und saubermachen. Die Hecken sind gestutzt, die Wege gefegt, kein Müll liegt herum. So viel Fleiß sollte mehr publik gemacht werden. Am Abend sitze ich wieder bis Ein Uhr am Rechner und schreibe unsere Erlebnisse auf. 

Abenteuerurlaub? Und ob!!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zwei + 19 =

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen