Schweden – 06.05.11

6. Mai

Der Tag beginnt um Sieben. Die Dusche spritzt fast in den ganzen offenen Raum hinein. Es ist auch nicht besonders sauber hier. Der Platz enttäuscht. Um Neun wollen wir frohgemut starten. Freund Zetor aber schüttelt sich nur, etwa so unwillig wie gestern Mittag. Da hilft kein Zetern und kein Schreien… Ich rufe den schwedischen ADAC, den „Assistenzkaren“ in Jokkmokk an und bitte um Hilfe. Schon wieder eine Panne. Voraussehbar? Dreißig Minuten später kommt der rote LKW angefahren. Zwei Männer steigen aus. Ich mache einen Startversuch. Die Männer nicken beide gleichzeitig. Die Batterie ist leer. Wir bekommen per Starthilfekabel Überbrückung. Sofort springt der Motor an. Dann zeigt uns der Eine einen Zettel. Darauf steht eine Zahl : 3200 Skr. Die will er jetzt haben von uns, da er gestern eine Anfahrt von 120 Kilometern hatte und uns natürlich nicht finden konnte, da der Trecker ja irgendwann wieder lief. Zähneknirschend zahlen wir die Summe bar. Doch so viel haben wir gar nicht dabei. Der ältere von beiden ist der Chef der Abschleppfirma. Er fährt mit Barbara in seinem roten Mazda zum nächsten Bankautomaten. Die gezogenen 500-Kronenscheine wandern in die andere Hand. 

Dann geht’s zur Firma „DÄCK AB“ (die Werkstattkette kennen wir ja schon von Sveg). Dort schließt gerade ein junger kahlköpfiger junger Mitarbeiter dieser Filiale das Werkstatttor auf. Samstags ist eigentlich kein Arbeitstag. Er ist eigens von dem Berger angerufen worden, begrüßt uns aber sehr freundlich. Ja, er habe eine neue Batterie. Sie sei sogar geladen und als er die alte von der Länge her abgemessen hat, holt er die neue aus dem Lager. Unsere Batterie wäre über 10 Jahre alt und durch den Frost nachts hat sie nun endgültig ihren Geist aufgegeben. In Lappland gäbe es auch so gut wie keinen Reparaturbetrieb für Traktoren, da es fast keine Bauern gibt, nur wandernde Samen. Lediglich Werkstätten der Marke Volvo gäbe es in Norrbotten und in Lappland. Aber auch nicht überall. Wie beruhigend!

Der Chef des Abschleppers gibt sich als ehemaliger Lehrer aus. Er habe in Uppsala studiert und führt nun diese Firma. Er spricht ein klares englisch und holt sich auf seinem Handy unsere Homepage. Offenbar ist er sehr beeindruckt und zeigt unsere Schwedenseite dem Monteur, der zu Hause auch nachschauen will. Um 12 Uhr ist dann alles wieder in Ordnung gebracht, wir zahlen 370 Euro für den 165 Ampere starken Energiespender und fahren zum nächsten „ICA-Markt“, um fürs Wochenende einzukaufen. Wir springen mit leerer Einkaufstasche, einer Tragetasche aus Lauterbach mit einer schönen Stadtansicht vom Trecker. Die nehmen wir gerne zum Einkaufen, ist es doch Stück Werbung aus meiner Geburtsstadt. 

Ein Mann, er sieht aus wie ein Same mit gebräunter haut und schräg stehenden Augen, bleibt mit Staunen vor dem Gespann stehen und fotografiert es gleich. Wir sollen einen Moment warten. Dann telefoniert er. Zwei Minuten später kommen in Rudeln vom gegenüber liegenden COOP- Markt einige Angestellte aus dem Geschäft und fotografieren gestikulierend. Wir verschwinden im Laden der Konkurrenz. Dann geht’s auf die Piste. Brummmmm!!! Der Zetor mit seinen 45 PS, auf schwedisch „Hästkrafter“ gleich Pferdestärken, schnurrt gleichmäßig und beruhigend wie immer. Doch die nächsten Berge lassen in stöhnen.

Stimmung 10 Meter vom Straßenrand
Stimmung 10 Meter vom Straßenrand
Björn Thunborg, der smarte Schüler aus "Porjus" in seinem Kramladen
Björn Thunborg, der smarte Schüler aus "Porjus" in seinem Kramladen

Die Felswände links und rechts der Passstraße flößen Barbara Angst ein. Wir fahren am Rande des „Laponia-Nationalparkes“ entlang. Drei großen Stauseen begegnen wir. Es schneit ein wenig bei hellem Sonnenschein. Der „Lule Älf“, einer der größten Ströme Schwedens wird in seinem Lauf von Norwegen her kommend und in die Ostsee mündend zwölf mal gestaut. 20% der Energie, die Gesamtschweden verbraucht kommen hier aus dem hohen Norden. Kernkraftwerke gibt es lediglich zwei. Und überall die Hinweise auf noch bestehende Eisenerzminen.

Im Ort „Porjus“ am südlichen Ende des wohl über 20 Kilometer langen Sees „Stora Lulevatten“ gelegen, sehen wir an der Straße ein Souvenirgeschäft. Elch- und Rentierfelle und allerlei Klimbim hängt vor dem Haus. Wir klingeln, da wir neugierig geworden sind. Besonders ich. Ein junger Mann, so um die Siebzehn öffnet uns barfuss und nur mit einem T-Shirt bekleidet. Er spricht perfekt deutsch. Seine Mutter stamme aus Bergisch-Gladbach, sein Vater sei Schwede und er wolle einmal Geschichte studieren. Im Laden sieht aus wie bei einem Trödler. Er heißt Asbjörn Thunborg.

www.thunborgviltaffar.se

Samische Handwerkskunst, Felle, Messer, Kappen, Becher, geschnitzte Figuren und 10000 andere sehr reizvolle Dinge reihen sich neben- unter- und übereinander. Wir kommen gut ins Gespräch. Er ist sehr intelligent und kennt die Vergangenheit der Geschichte Schwedens zurück bis ins Sechzehnte Jahrhundert. Er hat Redebedarf und wir hören viele interessante Geschichten über Land und Leute. Er will uns mit unserer Homepage auf die schwedische Seite von „Facebook bringen. Wir erstehen ein Elch-Plüschtier, d.h. Barbara findet Gefallen daran. Eine samische Spezialität, ein Stück Käse aus Kuhmilch hergestellt, sogenannter „ Kaffe-Ost“, (Ost = Käse) den man in den Kaffe tunkt und dann isst. Weiter werden wir verführt von einem runden Käse aus Bergziegenmilch. 

Wie sich dann am Abend herausstellt bei einer Tasse Kaffee, schmeckt der Kaffeekäse fast nach nichts, etwa so wie Tofu, aber wir verzehren ihn tapfer. Der Meckerkäse kann noch warten. Ein rundes Pfännchen („Kosa“) aus Holz geschnitzt mit einem gelochten Henkel wird uns angepriesen. Aus ihm könne man alle Getränke der Welt trinken, vom Whiskey bis zur Elchmilch und das Holz nähme keinen Geschmack an. Ich werde es mal gelegentlich mit Bier (Öl) ausprobieren. Die deutsche Wurst eines Metzgers aus Jokkmokk verschmähen wir. Der Junge beeindruckt uns sehr durch sein geschichtliches Wissen. Alles sprudelt wie aus dem Buch gelesen aus ihm heraus. Er hat wohl wenig Gelegenheit, sein Wissen weiter zu geben.  

Mitten in Nordlappland
Mitten in Nordlappland

Nach knapp sechs Sunden anstrengender Fahrt über Berg und Tal, eher Berg, sehen wir im tiefen Tal das Städtchen „Gällivare.“ Es gibt da den einzigen Campingplatz auf einer Strecke von ca. 170 Kilometern. Und der…öffnet natürlich erst am 17. Mai. Barbara bibbert schon wieder. Ob das trotzdem klappt mit der Aufnahme und mit Strom und Toilette und Dusche? Ich bin wie  immer zuversichtlich und rufe die Platzwartin an. Nach einem Zögern will sie in 20 Minuten auf den Platz kommen. Es klappt! Traktorfahrer lässt man nicht in der Pampa stehen. Wir zahlen für zwei Nächte bis zum Montag 420 Kronen und bekommen eine Nummer aufgeschrieben. Die Tür zum Sanitärhaus öffnet sich nur per Tastatur und Code. Wie modern für diesen abgelegenen Platz! Die Frau ist sehr freundlich und weist uns einen sehr ansprechenden Stellplatz am „Vassara Älf“, dem Fluss fünfzig Meter weiter von uns an. Die Toilettenanlage ist hier zu empfehlen. Alles sehr clean und …beheizt. Wir schauen vom Schlafzimmerfenster aus auf den schneebedeckten „Dundret-Berg“, der sich  in einer Entfernung von drei Kilometern majestätisch über die Stadt erhebt. 

Der frische Laib Brot von heute Mittag outet sich als weicher Lappen mit zwingend gewöhnungsbedürftigem Anisgeschmack. Wie enttäuschend! Wir weichen auf das „Polarbröd“ von vorgestern aus. Wieder nichts. Vier runde mit Körnern vollgestopfte süße Brötchen sind in der Tüte. Süße Hotdog-Wecken mit „Schmackes.“ Alles schmeckt streng nach Advent und schon wieder kommt mir die Melodie „White Christmas“ in den Sinn. Süßes Brot mit gesalzener Butter und bitterer Orangenmarmelade … Welch Genuss! Meine Pa- und Pupillen ersticken im Freudentaumel. 

Wir machen einen Spaziergang am Fluss entlang, entdecken mit Moosen und Gras bedeckte Lappenbehausungen in einem eingezäumten Areal und verbringen den Abend mit Wäschewaschen und Aufräumen. Zu Hause würden wir fernsehen, aber hier ticken unsere Uhren anders. Was sind wir froh, ein warmes Plätzchen für das Wochenende gefunden zu haben. Morgen wollen wir die Stadt erkunden und ins Touristenbüro gehen, um Aufkleber für den Traktor zu besorgen. Es soll bis 12°C warm werden. Hitzefrei für Schweden?

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

elf − sieben =

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen