Frankreich – 11.08.11

11. August

Nur 1° C  am Morgen...Brrrr!!!
Nur 1° C am Morgen...Brrrr!!!

In der Nacht fröstelt es mich und ich werde oft wach davon. Um Sieben trete ich vor die Tür. Oh nein, was ist mit der noch nassen Wäsche passiert, die wir gestern Abend noch aufgehängt haben?

Der Trecker ist total vereist
Der Trecker ist total vereist

Ich drücke einen Finger auf Barbaras Jeans. Sie behält ihre Form und bewegt sich kein bisschen. Stockesteif gefroren sind alle Wäscheteile und man müsste einen Hammer nehmen, um sie aus der Fasson zu bringen.

Ich schaue auf das Außenthermometer und denke, das kann doch nicht sein, so tief im Süden Europas. Ein Grad Wärme zeigt es an. Der Rasen hat Raureif angesetzt und beim Gehen zum Sanitärgebäude, um die Morgentoilette durchzuführen knirscht das dürre Gras unter meinen Gummiclogs. Barbara eröffnet mir, sie habe keine große Lust mehr, weiter zu fahren und außerdem seien ihr die Berge in Frankreich viel zu hoch und zu gefährlich, um sie mit dem Traktor zu befahren. Sie hat Angst! Sie hat auch zum einen Heimweh und zum anderen denkt sie an die immensen Kosten, die wir bisher hatten und noch haben werden, wenn wir unsere Reise in der Gänze durchführen, wie wir es Anfang des Jahres geplant hatten. Sie ist kurz gesagt sehr missmutig und überträgt diese Stimmung auf mich. Nun bin ich missmutig und schlecht gelaunt und ziehe es vor, die nächsten Stunden zu schweigen. Schweigsam starten wir und stellen fest, dass die N 88 doch die beste Entscheidung war.

Es geht in Richtung „Mende“, einer größeren Stadt, wo wir relativ günstig tanken können. Nur 1,31 Euro kostet der Liter Diesel. Und hier darf wieder „gedrempelt“ werden, was das Zeug hält. Und das noch bergauf, wo ich das Gas wegnehmen muss. Schrecklich! „Badaroux“ ist der nächste Ort, der sich an die Felswände anschmiegt und sogar in der Ortsmitte ein kleines Restaurant hat und …wie in jedem Dörflein eine schöne Kirche mit spitzem Turm, wo gerade herrlich schön die Glocken zur Messe läuten. Die Rinder, die wir auf der weiteren Strecke an den Steilhängen sehen, sind nicht mehr blond, sondern dunkelbraun gefärbt und haben nach oben stark geschwungene und lang ausgezogene Hörner, die sehr spitz zulaufen. Wie Kampfstiere sehen sie aus. Wir fahren über eine sehr alte steinerne Brücke.

Schon wieder diese endlosen Steigungen
Schon wieder diese endlosen Steigungen
breeeeemseen !!!
breeeeemseen !!!
Und nun die ganze Fuhre wieder bergauf
Und nun die ganze Fuhre wieder bergauf

Unter uns das Flüsschen „Le Lot Olt.“ Ab „Chanac“ werden wir gezwungen, eine Nebenstrecke zu nehmen, um nach Süden zu kommen. Da ist es natürlich aus mit dem gemütlichen Fahren und dem eingestellten Handgas. Hier herrscht das Recht des Stärkeren und ich ärgere mich einmal mehr über einige Radfahrer, die uns bergauf mit ordentlich Power überholen. Hätte ich doch jetzt mein 10-PS Dreiradauto bei mir. Ich würde an manchen Hängen mindestens 15 km/h fahren und nicht nur 8 km/h so wie jetzt. An einem Berg verzweifele ich fast. 9% Steigung auf 2 Kilometer und 10% Gefälle auf 4 Kilometer.

Das ist mehr als gemein. Wer um Gottes Willen hat bloß diese Berge erschaffen? Für wen oder was sind sie gut? Hat der liebe Gott damals schon an Treckerfahrer gedacht, die äußerst mühsam diese Höhen erklimmen müssen oder hat er die Spezies „Homo traktorensis“ bei seinen Planungen total vergessen? Nach knapp 70 Fahrkilometern bleiben wir im Ort „Le Massegros“ halten. In einer Bar trinken wir einen Espresso, der nur einen Euro kostet und fragen gleich mal nach dem nächstgelegenen Campingplatz.  

Es gibt derer drei. Der nächste ist nur 7 km entfernt und liegt an einer Nebenstraße im Hochgebirge in einer Schlucht des Gebirgszuges „Gorges du Tarn“, einem touristisch erschlossenen Gebiet, das keine Wünsche offen lässt. Zumindest nicht für Bergsteiger, Freeclimber, Raftingfahrer und andere Wagemutige. Nun gut, wir schlagen diesen Weg ein, obwohl er nicht direkt auf unserer Route liegt und ziehen los.

 

Dorfansicht - Die Dächer sind teilweise mit Feldsteinen gedeckt
Dorfansicht - Die Dächer sind teilweise mit Feldsteinen gedeckt
Hier muss man unbedingt schwindelfrei sein, denn es geht etwa 600 Meter senkrecht runter
Hier muss man unbedingt schwindelfrei sein, denn es geht etwa 600 Meter senkrecht runter

Die Sonne scheint und es sind inzwischen am frühen Nachmittag schon 28 Grad. 27 Grad Unterschied in nur sieben Stunden. Das müssen wir erst mal verkraften. Dann kommt das Highlight des Tages. 6 Kilometer soll es bergab gehen. Davon 2 km mit 5% und 4 km mit wahnsinnigen 11%. Wenn ich drehen könnte würde ich es tun. So aber kneife ich die …zusammen und siehe da, schon nach 800 Meter Talfahrt das Schild zum Campingplatz inmitten eines Dörfleins namens „St. Rome de Dolan“, dessen Hausdächer , man glaubt es nicht, mit flachen, unregelmäßig geformten Feldsteinen bedeckt sind. Die Mauern sind ebenso mit Feldsteinen hochgezogen und die Fenster sehr klein gehalten. Das mag im Inneren schön kühl im Bergsommer sein.

Aber im Winter? Ich möchte partout hier oben nicht leben wollen und Barbara… Der kleine, sehr agile Franzose, der uns empfängt, Jean-Marc, spricht unentwegt und sehr schnell Englisch mit gekonnt französischem Zungenschlag. Er will uns einen guten Platz zuweisen und wir gehen mit ihm alle eventuellen Stellplätze ab, die für unser Gespann die benötigte Fläche versprechen. Der Platz bietet etwa nur 40 Campern Zuflucht, aber…so einen außergewöhnlich schönen Stellplatz mit Panoramablick hatten wir noch nie. Direkt hinter den Stellplätzen geht es ohne Absperrung schroff ins Tal. Und zwar senkrecht und ich sage senkrecht etwa 300 Meter nach unten. Man mag gar nicht hinunter sehen, so schwindelig wird einem beim Anblick der Felswände und Vorsprünge.

 

 

Auf der gegenüber liegenden Seite der Schlucht führt die Straße auf 11% Steigung weiter
Auf der gegenüber liegenden Seite der Schlucht führt die Straße auf 11% Steigung weiter

Durch das Tal ganz tief unten fließt ein reißender Gebirgsbach, der in einem Felstor wieder verschwindet. Der Ort weit da unten im tiefen Tal heißt „Le Cirque des Baumes.“ Die gegenüber liegende Seite der Schlucht, etwa einen Kilometer vom Platz entfernt ist noch viel höher als unsere Seite und fällt ebenso schroff ab. Wenn man ganz genau hinsieht, erkennt man auf einem grauen, dünnen Band, das aussieht wie ein Zwirnsfaden eine Straße, wo sich kleine Punkte auf Rädern nach oben oder nach unten bewegen. Hier werden wir Morgen garantiert nicht entlang tuckern, das ist sicher. 11 Prozent? Wahnsinn!!

Skeptischer Blick vom Campingplatz in die Schluchten des "Tarn"
Skeptischer Blick vom Campingplatz in die Schluchten des "Tarn"
"Da bekommen mich Morgen mit dem Trecker keine 10 Pferde runter, mein Lieber!"
"Da bekommen mich Morgen mit dem Trecker keine 10 Pferde runter, mein Lieber!"

Das ganze Großgebiet hier oben nennt sich die „Cevennen“ und der Gebirgszug, in dem wir uns befinden, trägt den Namen „Gorges du Tarn, de la Jonte et Grands Causses.“ Wir werden eher die 8 km zurück nach „Le Massegros“ fahren, um von da ab in Richtung „Millau“, der nächsten Stadt zu eiern. Der Platzinhaber, dem ich unsere Reise erklärt habe, informiert sofort alle anderen Gäste des fast voll belegten Platzes. Die meisten Urlauber lassen sich ihr Feriendomizil reservieren, da die Aussicht nach unten oder auch nach oben einfach grandios ist. Mir kommt es so vor, als wäre ich in einem Märchenland. Frankreich ist einfach eine Reise wert. Und die Franzosen sind liebenswerte Menschen, die man einfach mögen muss. Unsere Nachbarn hier sind Engländer aus „Birmingham,“ Südengland, die einen Teil ihres Urlaubs hier im Gebirge verbringen.

Da wir kaum noch Brot haben, bietet sich die junge Frau spontan an, uns welches im nächsten Geschäft, das 8 km von hier liegt, mitzubringen. Das finden wir sehr nett. Der kleine, etwa vierjährige Junge namens Finn ist ein aufgewecktes Bürschchen. Er besucht uns im Bauwagen mit seiner Mutter und bringt uns überraschenderweise zwei Fläschchen Bier mit.

Finn, der süße, kleine Brite hat Spaß am Treckerfahren
Finn, der süße, kleine Brite hat Spaß am Treckerfahren

Na so was? Dafür bekommt Finn von uns eine Quietscheente, ein paar Beutelchen Gummibärchen und einen Komikband, natürlich in Deutsch von Donald Duck. Da hat er aber mächtig Spaß daran und er tollt mit dem Heft auf unserem Bett herum und besieht sich Barbaras Kuscheltiere. Auch meine Gummiratte und der Tigerkopf haben es ihm angetan.

Blick über die Schluchten des "Tarn" von der Dorfmitte aus
Blick über die Schluchten des "Tarn" von der Dorfmitte aus
Jean-Marc, der gesprächige Platzbesitzer besucht uns
Jean-Marc, der gesprächige Platzbesitzer besucht uns

Das freundliche englische Ehepaar hat uns einen sehr positiven Eintrag in unser Gästebuch geschrieben und bereichert unsere Reise. Der Chef des Areals, Jean Marc, bittet mich am Abend noch um ein gemeinsames Foto am nächsten Tag und um einen Eintrag in das Gästebuch des Bergcampingplatzes. Die sanitäre Anlage ist völlig sauber und macht einen sehr guten Eindruck. Hier kann kein Gast meckern.

Allein der Spülbehälter für die Toilette ist seltsam. Einen Hebel muss man mehrmals drücken, der am unteren Ende einer Art Boiler angebracht ist. Dann wird reines Quellwasser aus dem nächsten Tal nach oben transportiert und das „Waldesrauschen“ lässt Hygienefanatiker glücklich sein. Diese Spülvorrichtung weckt Erinnerungen an unsere beiden Milchgeschäfte vor über 50 Jahren in meiner Geburtsstadt Lauterbach. Es gab da gleichermaßen eine Pumpvorrichtung für Vollmilch, wo man seine Blechkanne abgab und sie beim „Milchwill“ oder „beim Trapp“ am „Unteren Graben“ füllen ließ. Pro Schwenk mit dem Hebel rann immer ein Viertelliter in die Kanne. Also vier Mal den Hebel nach links und dann nach rechts drücken, dann war die kleine Kanne voll und man zahlte etwa 40 Pfennige. Solche Assoziationen sind mir bei meinen Besuchen hier auf diesem rauschenden Örtchen heute gekommen. Die Homepage dieses Platzes, dem wir die Note „außergewöhnlich empfehlenswert“ geben ist: www.pagesperso-orange.fr/camping.sauveterre/

 

 

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