Frankreich – 22.08.11

Eingangsschild zum Campingplatz in Lezignan
Eingangsschild zum Campingplatz in Lezignan

Wir haben unsere innere Uhr auf Sechs eingestellt. Trotzdem werden wir erst um halb Sieben wach und schauen nach draußen durch das weit geöffnete Schlafzimmerfenster. Dunkelheit umfängt uns. Es ist in der Tat noch stockfinster. In diesen Breitengraden geht die Sonne etwas später auf. Dafür ist sie schon um halb Neun abends wieder in der Versenkung verschwunden. Eine Dämmerung, wie wir sie kennen, gibt es fast nicht. Es ist auf „einen Schlag“ dunkel. Das Ankoppeln des Treckers ist Routine.

Heute haben wir kein Baguette bestellt, da die Rezeption erst um Acht öffnet. So begnügen wir uns mit welkem Baguette vom gestrigen Tag. In Windeseile sind wir „landfein“ und starten Punkt Acht. Alle Bediensteten stehen vor dem Anmeldegebäude Spalier und winken uns zu. Ja, diese sechs Tage Aufenthalt in Lezignan haben uns sehr gut getan. Schon mein Vater schwärmte sehr von dieser Stadt, die er als Reisebusfahrer vor über 30 Jahren zigmal mit verschiedenen Schulklassen besucht hat. Einmal war unser Sohn als Zehnjähriger dabei und lernte hier in Lezignan im Freibad, wo wir auch Baden gegangen sind, das Freischwimmen. Wir werden meinem Vater und Mario, unserem inzwischen 45jährigen Sohn alle Fotos von Lezignan zeigen, worüber sie sich sicher sehr freuen werden. Der Himmel zeigt sich bedeckt und es sind „nur“ 25 Grad gegen 9 Uhr, als wir in Richtung „Beziers“ unterwegs sind.

Die Vorsicht ist geboten
Die Vorsicht ist geboten

Wir hangeln uns mit unseren beiden Navis von Ort zu Ort. Das hat unsere Erfahrung gezeigt, dass wir so am schnellsten voran kommen. Die uns umgebende Landschaft erlebe ich wie im Märchen. Die „Rosinenfelder“ wechseln sich ab mit kleinen Bambushainen, die an die 5 Meter hoch stehen, Zypressenwäldchen, vereinzelt stehende Pinien und Feigenbäumen, Olivenhainen, Brachland und Platanenalleen. Dazwischen macht sich der Ginster breit, Opuntien mit Fruchtanhängen, Fettblattgewächse und Stechpalmen. Es gibt viel Abwechslung bei der üppig wachsenden Flora. Auch treffen wir immer wieder auf blühende, mannshohe Hibiskussträucher. Nur die Fauna hält sich bedeckt. Nicht mal einen Elch oder einen Esel bekommen wir zu Gesicht. Einige Flussbette sind ganz oder teilweise ausgetrocknet. Die abgeschliffenen Felsblöcke und einige Sumpfgräser sind alles, was der Frühjahrsregen zurückgelassen hat. Wasser ist hier sehr rar.

Geschirrspülen unter "Aufsicht" der Öffentlichkeit
Geschirrspülen unter "Aufsicht" der Öffentlichkeit

 Dass wir so blauäugig wären und uns die Weiterfahrt nach Norden ohne Berge vorgestellt haben, so ist es nicht. Und da kommt schon die erste Anhöhe hinter der Stadt „Rojan.“ So herrlich und unberührt die Natur hoch oben in 800 Metern auch ist, so beschwerlich gestaltet sich wieder einmal der Anstieg. Ich kann die Spitzkehren schon nicht mehr zählen, die wir berauf, bergab gefahren sind. Manchmal sieht man die weiterführende Straße 200 Meter unten bis zu fünfmal in unterschiedlichen Höhenlagen. Mit einem Motorrad macht es sicher einen Heidenspaß, die vielen Kurven in Schräglage durchzuziehen, aber Barbara sitzt wieder mal mit halb geschlossenen Lidern auf ihrem Schleudersitz ganz vorne links und bibbert vor jeder Steilkurve. Doch im vierten Gang schaffe ich alles mit „links.“ Das Kühlerwasser ist heute schneller als sonst heiß geworden, da die Außentemperatur sich um die 36 Grad bewegt. So gönnen wir unserem wackeren, kleinen Zetor auf einem Rastplatz mit bombastischer Fern- und Rundumsicht eine kleine Ruhepause. Die Waffeln, die wir zum Mittag eingepackt haben, mag Barbara gar nicht anrühren.

Genivieve Bart aus "Fontes" lädt uns zum Kaffeetrinken ein
Genivieve Bart aus "Fontes" lädt uns zum Kaffeetrinken ein

Zu viel Adrenalin ist verbraucht. Nur Durst gibt es genug. Wir haben uns wohlweislich auch statt wie sonst nur zwei kleine Fläschchen Wasser gleich eine Zweiliterflasche in unsere Kühltasche eingepackt. Und die ist schon nach sechs Stunden Fahrt geleert. Vor dem Ort „Neffies“ sehen wir ein Schild, das nach rechts weist und einen Campingplatz anzeigt.

 

Solche Wegränder gibt es bei uns im Reinhardswald nicht
Solche Wegränder gibt es bei uns im Reinhardswald nicht

Gut so, denn wir sind schon 344 Mal durchgeschwitzt und lechzen nach Schatten und einem ruhigen Stellplatz. 2 km weiter, auf der D174, kurz vor dem Ort „Fontes“, direkt neben der kleinen Straße liegt der Platz. Wir müssen eine halbe Stunde warten, denn es wird erst um 15 Uhr, wie üblich, geöffnet. Es gibt auch ein kleines Schwimmbad hier. Die Besitzer nehmen uns freundlich auf, wir zahlen „glatte“ 15,44 Euro mit dem Stromanschluss und stehen wenig später auf einem tollen ebenen Platz unterhalb eines Weinberges. Hinter uns Felsen über Felsen und laut zirpende Grillen. Zwei dunkelbraune Pferde weiden das dürre, braune Gras auf der kleinen Koppel hinter unserem Bauwagen ab und nicken uns ab und an „rossfreundlich“ mit ihren langen Gesichtern zu. Da wir keine Butter und auch kein Brot mehr haben, fahren wir in den Ort „Fontes“ in der Hoffnung, dass es dort einen Laden gibt. Es gibt sogar zwei und auch eine Bäckerei und zwei Restaurants . Alles ist aber geschlossen. Das Dorf dürfte an die 2000 Einwohner haben.

Eine Frau, die neben dem altehrwürdigen, steinernen Rathaus steht und auf ihren kleinen Hund aufpasst, bemerkt unser ratloses Gesicht. Ich frage sie, wann die Läden wieder geöffnet seien. „Montags nie!“ ist ihre Antwort. Rumms!

Da stehen wir nun ziemlich dumm herum. „Und ein Restaurant, um einen Kaffe zu trinken?“ bohre ich weiter. „Auch geschlossen montags,“ gibt sie zur Antwort. „Ferme, ferme, ferme!“ Dann bedeutet sie uns gestenreich, doch in ihr Haus, dessen Mauern mit dem Rathaus verbunden ist, einzutreten. Sie wolle uns gerne einen Kaffee zubereiten und winkt uns mit offenen Armen und roten Wangen in ihre Wohnung. Barbara zögert. Ihr ist meine Fragerei wohl mal wieder etwas peinlich und auch, weil ich die freundliche Einladung dankend annehme. So gehen wir also in die „gute Stube“ einer Frau, die wir soeben erst kennengelernt haben und schauen uns um. Das dreistöckige Haus ist wie ein kleines Schloss eingerichtet. Die Wände im Wohnzimmer bestehen aus groben Natursteinen und das Interieur sehr geschmackvoll mit antiken Möbeln bestückt.

Die malerischen Gassen in "Fontes" lassen keinen Schwerlastverkehr durch
Die malerischen Gassen in "Fontes" lassen keinen Schwerlastverkehr durch
Reife Feigen! Hmmmh!
Reife Feigen! Hmmmh!

Die Kronleuchter passen so recht zu dem stilvollen Ambiente. Zwei Edelkatzen laufen herum und auch ein kleiner, kurzbeiniger, älterer Hund gehört mit zur Familie, der sich sofort auf den Rücken legt und sich von mir seinen staubigen Bauch kraulen lässt. Sie kocht uns tatsächlich einen frischen Kaffee auf französische Art und serviert ihn in antikem Porzellangeschirr. Auch Gebäck wird uns gereicht. Die Konversation gestaltet sich etwas schwierig, doch wir kommen miteinander klar. Sie arbeitet nebenan im Rathaus als erste Sekretärin des Ortsvorstehers, ist 62 Jahre jung und lebt hier seit ewigen Zeiten mit ihrem Mann, dem früheren Bürgermeister und den Tieren. Als wir nach einer guten halben Stunde aufbrechen wollen, lässt sie es sich nicht nehmen, uns zu Fuß den ganzen, wunderschönen Ort zu zeigen. Eine Burg gibt es da und eine alte Kirche, viele höchst sehenswerte alte, beschattete Winkel und Gassen, durch die wir ohne sie niemals hingekommen wären. Man kennt sie auf der Straße und sie berichtet jedem von ihren besonderen deutschen Gästen, die sie vor ihrem Haus aufgegabelt hat. Plötzlich kommt aus einer Garage hinter dem Rathaus ein älterer Herr, der sichtlich Vergnügen daran findet, uns in Deutsch zu begrüßen. Es ist ihr Ehemann, der vor 50 Jahren in Tübingen als Soldat stationiert war und einst in der Schule Deutsch gelernt hat. Er stimmt mitten auf der Straße, wo Nachbarn im Schatten auf einer Treppe sitzend Siesta halten, lautstark das deutsche Weihnachtslied „Oh Tannenbaum“ an. Ich stimme lautstark mit ein und Barbara schlendert betont unauffällig langsam weiter. Nochmals werden wir in diese wunderschön eingerichtete Wohnung hereingebeten und müssen von unserer Reise erzählen. Nun bekommen wir eisgekühlte Getränke gereicht. Eine weitere Stunde vergeht. Wir haben alle großes Plaisier bei der Unterhaltung und lachen viel zusammen.

Der Torweg-Romantik pur
Der Torweg-Romantik pur

Wir geben unsere Prospekte und eine Visitenkarte ab und verlassen dann dankend, aber letztlich ohne eingekauft zu haben, dieses gastliche Haus. Der Name dieser sehr herzlichen Frau ist Genevieve Bart. Zu Hause angekommen, gehen wir erst einmal eine lange Runde schwimmen und bereiten uns dann einen Linseneintopf mit Kochwürstchen zu. Für den kommenden Morgen konnte ich ein Baguette am Platz bestellen. Und so fehlt uns eigentlich nichts außer ein wenig Nachtkühle, die hoffentlich eintrifft. Um 21 Uhr sind es immer noch 28 Grad in unserer Hütte und alle drei Fenster stehen die ganze Nacht hindurch weit offen.

 

 

 

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

3 × 5 =

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen