Frankreich – 23.08.11

Es steht ein Pferd auf 'm Flur ...
Es steht ein Pferd auf 'm Flur ...

„Es steht ein Pferd auf’m Flur!“ Kein Scherz! Iwo ! Ich habe mir zwei Handtücher über die Schulter gehangen und halte das Shampoo in der einen Hand als ich die Bauwagentür öffne.

Im ersten Moment zucke ich zurück. Da steht doch wirklich ein schneeweißer Shetlandhengst schnaubend und fast schon mit einem Vorderhuf scharrend auf der untersten Stufe unserer Bauwagentreppe und schaut mich mit seinen schwarzen Knopfaugen erwartungsvoll an. Ich glaub’, ich steh’ im Wald. Dann aber lasse ich die Handtücher und das Duschshampoo fallen und gehe erstmal auf Tuchfühlung.

Morgendliche Fütterung
Morgendliche Fütterung
Nun iss aber gut, mein Kleiner!
Nun iss aber gut, mein Kleiner!

Die Kruppe des Hengstes fasst sich seidenweich an und erst die knuddeligen Nüstern… Ein wenig altes Brot haben wir noch in der Brottrommel und ich füttere einen Brocken nach dem anderen dem geduldig wartenden „weißen Schimmelpony.“ Als ich nichts mehr für unseren Morgengast habe, was verfütterungswürdig wäre, muss ich höllisch auf unsere Blumenkästen aufpassen, da der Hengst sich immer weiter auf die bunte Blumenpracht hinzubewegt. Dann gesellt sich auch noch ein mittelgroßer schwarzweiß gestromter Rüde dazu. Nun sind wir schon zu dritt.

Auch der anhängliche Hund bekommt ein paar letzte Krumen trockenen Brotes. Endlich kommt Barbara vom Duschen zurück und wir können zusammen agieren. Sie deckt draußen den Kaffeetisch und ich versuche die Tiere davon abzuhalten, uns das frische Baguette vom Tisch wegzuschnappen. Da die lieben Vierbeiner aber meine Sprache nicht so recht verstehen (wollen), ist diese Aktion mit einigen Anstrengungen verbunden. Doch irgendwann trollt sich das Pferdchen.

Nur der brave Hund sitzt treu bei Fuß solange wir frühstücken und wartet auf mehr. Gut, mein Braver! Sage ich zu ihm. Sollst auch nicht leben wie ein Hund! Und ich schmiere ihm eine Butterschnitte, so wie wir es damals bei unseren eigenen Hunden täglich getan haben. Die Schnitte nimmt er dankbar an und reicht mir danach sogar sein Pfötchen. Will mehr, schaut aus seinem Blick heraus. Doch Zwetschgenmarmelade und schwarzen Tee mag er nun wirklich nicht. Mit meinem Waschwasser von gestern Abend kann ich dem Hengst, der in unserer Nähe geblieben ist, trotzdem noch eine kleine Freude machen. Er säuft in einem Zug die ganze Waschschüssel leer.

Frühstück unter vier Augen
Frühstück unter vier Augen

Irgendwann, kurz bevor wir losfahren wollen kommt der Campingwart mit einem Halfter vorbei und nimmt seine Vierbeiner mit. Das war ein sehr vergnügliches Frühstück. So, wie wir es uns öfter wünschen. Mal schauen, was für ein Hungriger Morgen früh vor unsere Tür auf Futter wartet. Zügig gestalten sich die ersten 12 Kilometer. Über „Clermont-l’Herault“ geht die Fahrt über das gut ausgebaute französische Straßennetz. Die Stadt ist leider mit „Trembeln“ nur so überbaut, so dass ich ständig abbremsen und mit Ruckeln und Zuckeln über die Weghindernisse stark abgebremst fahren muss. Schon am frühen Morgen sitzen die Leute in Frankreich draußen vor den Bars und Restaurants und frühstücken. Das sollten wir auch einmal ausprobieren. Bis „Gignag“ gibt es nur Hügelchen und Bergchen und Tälchen. Quittenbäume sind nun zeitweise dominierend und wilde Apfelbäume mit sehr kleinen und sehr sauren Früchten. Daraus kann man einen hervorragend schmeckenden Dessertwein oder auch einen Gelee produzieren, wie ich vor Jahren selbst einmal festgestellt habe.

Enge Durchfahrt durch ein altes Dorf
Enge Durchfahrt durch ein altes Dorf

Die Landschaft wird immer trockener und einige Bäume und Sträucher werfen schon ihr braunes Laub ab. Die Hitze flimmert auf dem Teer und eine Packung Feuchttücher reichen bei weitem nicht aus, die feuchte Reaktion unserer Drüsen einzudämmen. Wir öffnen während der Fahrt beide Türen einen großen spaltbreit, um halbwegs durchatmen zu können. Alles dampft und verdampft an uns so als wären wir gerade aus dem Wasser eines Freibades entsprungen. Die Firma Zetor hätte sich auch etwas Besseres bei der Klimatisation der Kabine ausdenken können. Die aufgeschobene Heckscheibe bringt da keine Linderung und ein anderes „Loch“ zum Öffnen gibt es nicht. In Norwegen haben wir noch alle zugigen Ritzen, besonders die an den Türen mit Papiertaschentüchern zugestopft, um nicht zu erfrieren und hier in Südfrankreich wären wir froh, wenn es mehr zugige Ritzen gäbe.

Den bekannten Fluss „Herault“ sehen wir hin und wieder neben der Straße, wie er mit seinem grasgrünen Wasser sehr flach über Felsvorsprünge dahinströmt.

"Dorfautobahn"
"Dorfautobahn"

Kurz vor „St. Martin-de-Londres“ hören wir beide während einer Talfahrt von mal wieder 10% ein quietschendes, kurzes, lautes Geräusch, das von der Hängerachse kommen könnte. Sofort halte ich an, überprüfe die Radmuttern, wackele an allen Rädern und gehe zigmal um das Gespann herum. Nichts kann ich entdecken. Da bleiben zwei Radfahrer neben uns stehen und fragen in bestem Deutsch nach, ob sie uns behilflich sein können. Wie sich herausstellt, kommen beide aus dem oberhessischen Treysa aus der Schwalm, heißen Weber, leben aber in Stadt-Allendorf und machen hier bei einer Verwandten Urlaub. Wir danken, unterhalten uns kurz und fahren mit stark gedrosseltem Tempo weiter, immer den Blick nach hinten gerichtet auf die Achsen. Doch das unangenehme Geräusch tritt nicht noch einmal auf. Trotzdem ist uns beiden sehr mulmig zumute. Wie gerufen kommt uns da ein kleinerer privater Campingplatz im Ort „Saint-Bauzille de Putois.“ Die Einfahrt ist zwar von ziemlich tief hängenden Akazienästen blockiert und ich reiße beim Durchfahren auch einen ziemlich starken Ast ab, aber wir stehen unter hohen Bäumen im Schatten inmitten eines sehr großen Zeltlagers von Halbwüchsigen, die aber nicht anwesend sind. Der Preis für die Übernachtung ist zivil und alles andere ist auch okay.

Eine nostalgische Ansiedlung
Eine nostalgische Ansiedlung
Ein Weibergschlepper bei der Ernte
Ein Weibergschlepper bei der Ernte

Lediglich die Stehtoiletten sind ein kleiner „Makel“ in Barbaras Augen. Aber sie haben wenigstens einen blau angestrichenen Haltegriff aus massivem Eisen und eine nostalgische Gliederkette mit Porzellanabzugsgriff, an der man die Spülung betätigen kann. Nun fehlt uns nur noch zu unserem Glück ein Stück Butter, (das Letzte hat der Hund gefressen) und etwas zum Abendessen. Also tuckern wir die landschaftlich unheimlich reizvolle Strecke von 5 Kilometern nach Norden in die Stadt „Laroque“, wo wir einen „Super-Marche“ finden und alles Nötige einkaufen können. Der Fluss „Herault“, eingebettet, bzw. zwangsgebettet zwischen zwei Felswänden, eher Schluchten, deren Gesamthöhe man vom Treckersitz nur erahnen kann, ist sehr belebt. Hunderte von Badenden stehen im seichten Wasser oder liegen mitten im Flussbett auf glattgeschliffenen Steinen und baden oder sonnen sich. Unzählige Kanuten sind ebenfalls unterwegs und umrudern die im Wasser stehenden. Die Sicht auf den Fluss mit seinem Leben ist unbeschreiblich. Es erinnert mich an eine Reise 1971 nach Jugoslawien an die wunderschönen Plitvicer Seen mit ihren ebenso klaren, smaragdfarben schimmernden Wassern, Wasserfällen und Flussbiegungen. Schade, dass wir es nicht schaffen, sich unter die Badenden zu gesellen. Ich schaue am Abend auf die Landkarte und sehe, dass wir uns auf dem gleichen Breitengrad befinden wie die Stadt „Avignon“ in Frankreich oder auch „San Remo“ in Italien. Wir befinden uns seit heute im Landesteil „ Languedoc-Roussillon.“ Schöne, fette Bauchfleischscheiben haben wir uns zum Grillen mitgebracht, das nur so aus dem Elektrogrill auf die Erde tropft und einen frischen Karottensalat, den wir mit knusprigem Brot genüsslich verzehren. Eine Flasche eisgekühlter Wein trägt das Seine dazu bei, dass wir ziemlich benebelt den etwa 150 Jugendlichen zusehen, wie sie vom Schwimmen im Fluss von ihren Betreuern zurück gebracht werden und zu Abend essen.

Trotz allem ist es nicht unruhig auf dem Platz und wir sind wieder einmal zufrieden mit dem Tag. Morgen früh werden wir am Ganges sein. Nicht der, der durch Kalkutta fließt. Nein! Ganges ist die nächste kleinere Stadt auf unserem Weg nach Norden. Danach sollen die Berge vorübergehend nur noch aus Hügeln bestehen. Daran soll Barbara ruhig glauben. Besser so!

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