Frankreich – 29.08.11

Eingangsberiech-Campingplatz "Marileu"
Eingangsberiech-Campingplatz "Marileu"
Die freundliche Journalistin "Annie Curt" von der Zeitung "Dauphine Libere"
Die freundliche Journalistin "Annie Curt" von der Zeitung "Dauphine Libere"

Irgendwie gelingt das Ausschlafen nicht so recht. Um Sieben sind wir schon „landfein“ und frühstücken ausgiebig. Wir brauchen mal wieder einige Lebensmittel und wollen uns im 5 km entfernten Städtchen „Montalieu“ auch gleich mal näher umsehen. Die N75 ist auch am frühen Morgen schon stark befahren und wir blockieren wieder mal die ganze Strecke. Einige LKW-Fahrer hupen hinter uns wie wild, doch das stört uns ausgeruhte Traktoristen keineswegs.

Man gewöhnt sich nach fünf Monaten an den ständigen Stau hinter uns. Schlechter wäre dagegen ein Stau vor uns. Hier und da stehen Radaranlagen und sie sind, wie wir sehen, oft im Einsatz. Nicht wegen uns natürlich. Eher müssten sie uns blitzen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Es lebe die Entschleunigung!!! Die meisten Geschäfte im Ort öffnen erst wie fast alle anderen Läden in Frankreich auch um 10 Uhr. So bleibt uns ein kurzer Bummel durch die Innenstadt und ein Einkauf in einem Supermarkt. Heute Mittag soll es Seefisch geben mit Salzkartoffeln und einen frischen Tomatensalat mit viel Creme freche. Kaum wieder zurück am Platz, bekommen wir Besuch. Die uns angekündigte Lokalreporterin steht vor unserer Tür und wir bitten sie erst mal in unser Wigwam.

Ihr Name ist Annie Curt und sie hat einen enormen Spaß daran, alles Wissenswerte über uns herauszufinden. Leider klappt auch jetzt die Verständigung nicht so, wie ich sie mir wünsche. Gut, dass die Bäurin und Platzinhaberin dazu kommt und unser Deutsch in die Sprache übersetzt, die man hier landsläufig so spricht. Sie entdeckt den Zeitungsartikel, der in Lezignan erschienen ist und bittet uns, sich die Zeitung bis zum Nachmittag auszuleihen. Da fällt ihr die Recherche leichter. Es gibt trotz aller verbalen und nonverbalen Verrenkungen immer wieder Missverständnisse, worüber wir, wenn alles aufgeklärt werden konnte, herzlich lachen können. Die junge, brünette Frau ist so wie die Platzbesitzerin auch sehr sympathisch. 

"Ziegig" lässt uns die Reporterin in Positur stellen
"Ziegig" lässt uns die Reporterin in Positur stellen
Marie-Christine, die Ziegenwirtin und Annie, die Reporterin entwerfen den Pressebericht
Marie-Christine, die Ziegenwirtin und Annie, die Reporterin entwerfen den Pressebericht

Sie macht erst Fotos von innen und dann kommt ihr eine verrückte Idee. Sie bittet Marie-Christine, die Chefin hier um die Vorführung einer der weißen Ziegen. Sie soll mit uns zusammen aufs Bild, dem Leser sicher zur Freude. Also geht Marie-Christine die Ziege aus dem Stall holen, die an einem Strick treu und brav mit ihr angetrottelt kommt. Das ist vielleicht eine Gaudi. Alle Nachbarn auf dem Zeltplatz stehen im Hintergrund und schauen der Fotosession zu und ein kleines Mädchen gesellt sich dazu und wird mit uns zusammen fotografiert. Die hübsche, schneeweiße Ziege hält schön still und meckert nicht mal nach der siebten Pose. So etwas haben wir auch nicht erlebt. Zwei Ochsen stehen mit einer Ziege in Positur und lassen sich für den nächsten „Playboy“ in aller Unschuld und äußeren Reinheit ablichten. Oh Gott, was wird unsere Familie dazu sagen?

Ich denke, sie werden herzlich darüber lachen und uns dieses besondere Erlebnis mit der französischen Presse gönnen. Dann gehe ich mit Marie-Christine in die hauseigene Käserei und besorge mir ganz frischen und eine Woche alten Ziegenkäse. Jeweils einen Würfel. Grün ist der Käse nicht, aber schön weiß und cremig und einfach ein Gedicht. Barbara mag nicht mal daran riechen.

Zu sehr hängen ihr die Erinnerungen an ihre Kindheit noch nach, wo sie gegen ihren Willen von Omas Seite aus immer wieder warme Ziegenmilch trinken musste. Wir bekommen einen ganz heißen Tipp von der Bäuerin. In der Nähe gibt es eine historische Burgruine, die wir unbedingt aufsuchen sollen. Nun gut. Wir haben nichts Besseres vor und stimmen zu. Sogar eine Skizze malt uns die Bäuerin auf, damit wir hinfinden.

Die Journalistin will uns um 17 Uhr im Ort „Le Bayard“ auf einem Parkplatz in der Dorfmitte in Empfang nehmen und uns dann auch die Lezignaner Zeitung wieder zurück geben.

Eine der vielen Hinweistafeln in Französisch
Eine der vielen Hinweistafeln in Französisch
Auf dem alten Marktplatz der prähistorischen Stadt über der Rhone
Auf dem alten Marktplatz der prähistorischen Stadt über der Rhone
Herrliche Aussicht über das Tal der Rhone
Herrliche Aussicht über das Tal der Rhone

Was sonst noch mit uns geplant ist wissen wir nicht. Den Parkplatz finden wir, doch von einer Ruine ist weit und breit nichts zu sehen. Endlich kommt Annie in ihrem schnittigen Peugeot angedüst. Sie bedeutet uns ihr zu ihrem Haus zu folgen, da ihr Ehemann uns auch begleiten möchte. Nanu? So viel Aufmerksamkeit? Wir sind gespannt, was wir jetzt erleben werden. Und das ist nicht gerade wenig in den folgenden zwei Stunden. Der Mann mit seinem gemütlichen, grauen Schnurbart steigt ins Auto hinzu und nun jumpen wir steil mit Vollgas bergan der Reporterin hinterher und einen Kilometer hoch zu einer Ansiedlung über der blauen Rhone.

Annie und ihr Mann geben sich große Mühe uns Wissen beizubringen
Annie und ihr Mann geben sich große Mühe uns Wissen beizubringen

Der weitere Aufstieg zu Fuß ist sehr beschwerlich und lässt mich meine derzeitige Behinderung deutlich spüren. Aber ich beiße die Zähne zusammen. Sind ja schon lange bezahlt. Einen Wiesenpfad geht es hinauf. Hier und da erklärende Schilder für fußgesunde Touristen. Dann stehen wir vor einem ausgedehnten Ruinenareal, wohl mehrere Quadratkilometer groß.

Im 13. Jahrhundert gab es hier oben eine richtige, lebendige Stadt. Die Soldaten oben auf den Burgzinnen bewachten diese prähistorische Stadt auf dem Hochplateau und wehrten erfolgreich alle Angriffe von außen ab. Auch Wegezoll musste von allen Durchreisenden entrichtet werden. Wurden die Bürger tief unten im Tal im Dorf direkt am Flussufer einmal von fremden Heerscharen bedrängt, konnten sie in die mit Mauern bewährte hoch liegende Stadt flüchten und wussten sich geborgen. Die Tafeln erklären sehr gut, besonders per Zeichnung, wie die Menschen damals lebten. Reste des Marktplatzes, alte, 26 Meter tiefe Zisternen, eine verfallene Kapelle, den Friedhof, die Marktstraße, das Gefängnis, der Treidelweg, den Fest- und Tanzplatz sind in Fragmenten noch erhalten. Annie hat alte Skizzen in ihrer Tasche mitgenommen und versucht in Verstärkung ihres beredten Ehemannes uns die Geschichte dieses Ortes näher zu bringen.

In den Ruinen der uralten Stadt
In den Ruinen der uralten Stadt

Einen wissenschaftlichen Bildband hat sie auch mitgenommen, der von der Mutter der „Ziegenwirtin“ einst geschrieben wurde. Alle Vorfahren der Bäuerin stammen aus dieser Stadt und die Ahnentafel konnte bis ins 11.Jahrhundert zurückverfolgt werden. Vieles verstehen wir nicht wegen der Sprache, einiges dagegen erklärt sich von selbst. Die beiden geben sich alle Mühe, uns Wissen beizubringen. Mehrmals stehen wir vor dem senkrecht fallenden Abhang und schauen auf die Rhone und die Landschaft zu beiden Seiten. Zauberhaft, grandios, einmalig schön. Manifice, wie die Franzosen sagen würden. Und sie nehmen sich viel Zeit. Wir sind baff. So viel Entgegenkommen hätten wir nicht erwartet. Nach knapp zwei Stunden und vielen neuen Erkenntnissen steigen wir wieder den Berg hinunter. Unten werden wir schon von einem Teil der Dorfbevölkerung erwartet, die wissen will, warum zwei Deutsche ausgerechnet mit einem Traktor hier herumgeistern. Wir erklären uns und verteilen Visitenkarten. Annie lässt es sich nicht nehmen, sich einmal auf meinen Sitz zu setzen. Er scheint ihr zu hart zu sein und sie wischt sich schon nach zwei Minuten den Schweiß von der Stirn. Doch sie ist ansonsten sehr angetan von der praktischen Einrichtung unserer Kabine.

"Ochs und Esel und alles, was sein mag..."
"Ochs und Esel und alles, was sein mag..."

Eine herzliche Verabschiedung folgt und wir fahren die 6 km zurück zu unserem Stellplatz. Die Tochter der Bäuerin und ihr Ehemann treten auf mich zu und es gibt ein nettes Gespräch zwischen uns. Sie waren im Juni und Juli auch in Schweden, am Nordkap und in Finnland mit einem Wohnmobil und wir tauschen Erfahrungen in englischer Sprache aus. Der Ziegenkäse zum Abendbrot schmeckt vorzüglich, so wie ich es mir vorgestellt habe. Barbara verzieht das Gesicht und ich muss draußen vor der Tür meine kleine Mahlzeit einnehmen. Nun ja, ich werde es ihr heimzahlen, wenn sie mal wieder Linsensuppe isst und knirschenden Zucker darin einrührt.

Unbeschreiblich, dieser Weitblick!
Unbeschreiblich, dieser Weitblick!

Das vertrage ich nun wieder nicht. So nehmen wir Rücksicht, so gut es geht auf unsere Eigenheiten. Morgen geht es (leider) wieder weiter nach Norden, aber wir werden diesen besonderen Campingplatz und die freundlichen Menschen, die wir kennenlernen durften, nie vergessen. Die Homepage dieses exponierten Ferienplatzes lautet: www.lachevreverte.com

 

 

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