Deutschland – 25. September

 

Mitten in der Nacht so gegen drei Uhr hören wir von nebenan halblaute Stimmen von Erwachsenen und zeterndes Kindergreinen. Autotüren klappen, Gerappel von Fahrrädern ist zu hören und schwere Wanderschuhe, die auf dem Kiesweg entlang stapfen. Die Geräusche ebben erst gegen halb Vier langsam ab. Am Morgen erfahren wir vom Platzwirt, Herrn Busse, dass es die ersten Pilger waren, die da nächtens losgejumpt sind, um sich am City-Flugplatz hinter der Stadt einen besonders guten Sitzplatz zu sichern, wenn der Papst gegen 11 Uhr auftritt. Eine junge Familie, die schon vorgestern hier gezeltet hat, kam gestern Abend mit zwei kleinen Kindern erst um 23 Uhr wieder vom Münsterplatz zurück und sind nun auch schon wieder unterwegs. Die armen Kleinen! Um sechs wandern die letzten los. Sie werden mit Stehplätzen vorlieb nehmen müssen.

Da geht's lang !
Da geht's lang !
"Meine" Servicedame Michaela vom Uni-Klinikum besucht uns privat auf dem Campingplatz
"Meine" Servicedame Michaela vom Uni-Klinikum besucht uns privat auf dem Campingplatz

Knapp 100000 Menschen werden auf engstem Raum unter freiem Himmel zusammen stehen und miteinander beten. Mir würde diese Menschenmenge eine Heidenangst machen. Während des Frühstückens lassen wir den Fernseher laufen und schauen uns aktuell dieses Event von ferne an. Um Neun erscheinen sechs oder sieben Bundeswehrhubschrauber am Himmel. Sie stehen fast in der Luft und machen einen Höllenlärm. Luftüberwachung über Freiburg. Der Countdown hat begonnen. Wir finden, obwohl wir keine Katholiken sind, dass der Papst sehr sinnvolle und verständliche Reden hält und oft den Zeitgeist trifft. Er hat den Überblick über das Weltgeschehen und mahnt einmal mehr die Gläubigen, mehr Toleranz und Demut zu üben und die Natur mehr zu achten. Dem habe ich nichts entgegen zu setzen.

Um Zehn bekommen wir netten Besuch. Die Servicedame von meiner Klinikstation, Michaela, steht mit ihrem 14 Monate alten aufgeweckten Sohn Maximilian vor der Tür. Sie wohnt nicht weit von hier und hatte ihren Besuch vor Tagen schon wage angekündigt. Wir unterhalten uns angeregt und zeigen ihr unser Gespann von außen und von innen. Sie scheint angetan von den Abmaßen und will ab sofort auch unsere Reise weiter online begleiten. Eine sehr herzliche junge Frau, die allen Patienten gegenüber immer sehr fürsorglich und freundlich war.

Zum Mittag gibt es aus der Dose weißen Bohneneintopf mit Würstchen, den wir noch von Frankreich im Vorratsschrank hatten. Das soll für den Sonntag reichen. Zu üppiges Schlemmen macht nur vollschlank und ich habe die Befürchtung, dass dann irgendwann meine Kompressionsstrümpfe nicht mehr passen. Es ist still auf dem Platz. Fast alle sind in katholischer Mission unterwegs. Aber wie schon gestern geschrieben, sind wir nur Mitglied in der DAK und fühlen uns den Pilgern nicht zugehörig.

Gestern habe ich einen Eintrag in das dicke Gästebuch der Familie Busse gemacht und gleich mal unsere eigenes dagelassen. Herr Busse übergibt mir heute wieder das Buch und wir sehen sehr erfreut, dass sich sogar das Seniorenpaar darin mit wohlwollenden Worten verewigt hat. Danke, Familie Busse! Wir werden unseren Aufenthalt hier auf ihrem schönen Campingplatz wohl erst in 40 oder 50 Jahren vergessen. Ich weiche schon bald der Sonne aus und flüchte in den Schatten des Bauwagens. Altweibersommer! Besser konnten wir es nicht getroffen haben. Wir laden unsere Navigeräte und die Handys auf und studieren noch einmal gründlich die Landkarte. So einfach wird es nicht sein, vom Südschwarzwald in den nördlichen Schwarzwald zu kommen. Überall lauern Berge und manche Strecken haben eine Steigung von 11 Prozent. Ich hoffe, dass der Kelch an uns vorübergeht und wir flachere Straßen finden. Als wir die 21 Tage Aufenthalt am Abend bezahlen, überreicht uns das Ehepaar Busse jun. eine schöne, gekühlte Flasche badischen Weißwein. Wir nehmen das göttliche Getränk dankend an und verziehen uns zum ganz intimen kleinen Umtrunk in unseren Bauwagen zurück. Doch Morgen muss ich fit sein für die Weiterreise nach Hessen. Ich habe wider Erwarten schon jetzt etwas Reisefieber und kann die Nacht kaum abwarten.

1 Kommentar zu „Deutschland – 25. September“

  1. also ich war auch auf dem campingplatz zur selben zeit und wir sind und 5h aufgestanden und haben nichts mitbekommen, vorab, so wie der berichterstatte, also nicht übertreiben…

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