15. April
Freundlicher Abschied vom Platzinhaber, natürlich mit Foto. Nach ca. einem Kilometer downstairs mit 13% Gefälle kommen wir unten in der Stadt an. Die Bremsen der Auflaufbremse rubbeln irgendwie seltsam. Oder was ist das für ein hartes Geräusch? Etwa 30 Meter hinter dem ersten Kreisel in der Unterstadt kracht es vernehmlich. Ich springe ab und… Das kann doch nicht wahr sein!!! Das gleiche rechte Hinterrad hängt sehr, sehr schief halb unter dem Bauwagen. Barbara holt schnell den 24er Schlüssel aus dem Alukoffer und lässt die beiden hinteren Stützen runter, damit der Wagen, der auf Halbacht steht, nicht weiter abkippt. Wir schauen uns an, bleiben stumm. Ich telefoniere mit dem Campingplatzbesitzer.
Fünf Minuten später ist er zur Stelle und ruft für uns einen Abschleppdienst mit seinem Handy an. Es dauert keine 10 Minuten und ein weißhaariger Oldie erscheint mit einem Auflieger, halb so groß wie der in Dänemark und misst die Länge unseres Hängers mit großen Schritten ab. Er schüttelt den Kopf. Weitere 15 Minuten später kommt eine Polizeistreife, sperrt die Kreuzung ab und regelt den Verkehr von Hand, denn…wir stehen auf der vielbefahrenen Hauptachse der Stadt. Zwei Bundesstraßen kreuzen hier im Kreisel. Es ist zum Verrücktwerden!
Dann kommt mit Gefauche ein Katarpillar angerauscht, eine Riesenmaschine mit dicken Reifen. Der junge Mann hebt mit 2 Auslegern Tante Paula sachte an und hievt sie auf den Aufleger. Ganz knapp passt der Wagen da drauf. Die Deichsel steht weit über. Man bedeutet uns, hinter dem Katarpillar und dem Abschleppwagen her zu fahren. Wir stehen nach Minuten vor den Toren Firma „PR-Falköping“, die Trucks, Landmaschienen und sonstige Maschinen repariert. Es ist wohl so was wie eine Raiffeisenfirma, nur viel, viel größer. Alle Monteure laufen aus der Werkstatt, auch die Bürodamen kommen dazu. Langes fachliches Palaver untereinander. Staunen! Dann ist der Plan fertig.
Das von dem Dänen eingebaute Kugellager hat sich in Luft aufgelöst und das Achsendstück weiter malträtiert. Das Endstück ist jetzt konisch geworden und glänzt sibern und blank in der Sonne. Auf der Drehbank werden die nicht mehr vorhandenen Teile, die im Straßenstaub liegen, maßgefertigt. Statt eines Kugellagers wird ein Walzenlager eingebaut, das höheren Ansprüchen stand hält.
Ein Schlosser gibt eine Runde aus. Er ist heute 45 Jahre alt geworden. Ich gratuliere herzlichst auf schwedisch. Alle lachen laut, denn ich habe ihm wohl aus Versehen ein gutes Neues Jahr gewünscht. Die anderen Spezialisten unterhalte ich mit Galgenhumor über 3 Stunden mit lockeren Geschichtchen aus meiner Jugendzeit. Sie sind geduldige Zuhörer und gegen 15 Uhr ist auch das Rad wieder anmontiert.
Da erscheint überraschend eine junge Frau von der örtlichen Presse. Sie hat den Polizeibericht mitbekommen und macht unentwegt Fotos von uns vor dem Werkstatttor und ich muss unsere Geschichte erzählen. Ihre Oma lebte in Trier und sie spricht noch ein paar Brocken deutsch. Sie will uns den Artikel zusenden, da diese Tageszeitung keine Homepage hat.
Dagegen haben wir heute alle Angestellten dieser Firma mit unseren Visitenkarten bestückt. 4700 schwedische Kronen kostet uns der Spaß der Reparatur. Zwischendurch waren wir in der nahen Innenstadt, haben am Automaten Geld gezogen und waren in einem „Netto-Markt.“ Auch „Lidl“ gibt es in Schweden und „Coop.“ Als wir gezahlt und uns von allen mit Handschlag verabschiedet haben und überglücklich losfahren wollen, drücken uns die Monteure 2 Käppis, 2 T-Shirts und 2 große Aufkleber jeweils mit Firmenlogo in die Hand. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir versprechen, die Shirts am Nordkap anzuziehen und ins Internet in unsere Homepage zu stellen. Wir haben wieder neue Fans! Tack sa mycket ! Der var mycke bra ! Lycka till!
Nach 5 Stunden pannenfreier Fahrt sind wir am Abend in der Stadt Jönköping am südlichen Ende des Vätternsees angekommen und suchen vergeblich nach dem dortigen Campingplatz. Unser Navi will uns immer wieder auf die Autobahn locken. Es wird dämmrig. Wir stellen uns auf einen Parkplatz vor einen Supermarkt, gehen hinein, fragen nach einem Weg außerhalb von allen Autobahnen zum Platz. Wir bekommen von einem Sicherheitswachmann im Supermarkt die Strecke beschrieben. Nach Umfahren von mindestens 10 weiteren Kreiseln, die wohl alle einen Anschluss zur Autobahn haben, geben wir auf und fahren wieder auf den Supermarkt-Parkplatz zurück. Barbara geht zur Rezeption, lässt ein Taxi rufen. Taxi kommt, ein Araber, wie es scheint. Er spricht perfekt schwedisch, doch so gut wie kein englisch. Wir zeigen ihm die Adresse vom Campingplatz auf unserer Karte und bedeuten ihm, dass wir ja mit dem Trecker die fehlenden Kilometer von hier bis zum Stellplatz schlecht Autobahn fahren können. Er nickt sehr gleichmütig, Barbara fährt im Taxi mit , ich mit dem Gespann mit Vollgas hinterher. Was soll ich sagen, nach 500 Metern befinden wir uns in der Rushhour auf der … schwedischen Autobahn !!! Ich glaub’ es nicht! Ich stehe mehr als ich sitze und schalte ziemlich kopflos am Trecker die gelbe Rundumblinkleuchte ein. Autos überholen, blinken und hupen. Der Taxi-Driver setzt die Warnblinkleuchte und fährt im Schrittempo mit 27 km/h voraus. Wenn ich keinen Hut aufgehabt hätte, würde man die Haare gesehen haben, die mir zu Berge stehen. Nach 4,5 Kilometern die Ausfahrt.
Hier eine Email von einem Schweden, der uns auf der Autobahn gesehen hat: -Wir haben ihr sehen aus A6 parkirung. Woher hast ihr den taxi gefolgt? Sie war sehr mude heute abend, ich will morgens telefonieren. Wir machen Blaubärchen paj morgens, finde ihr dise gut? Wir können es alle susammen essen Morgens tschuss-.
Mein Blutdruck ist irgendwo, nur nicht mehr in mir! Hinterher sagt mir Barbara, dass der Taxifahrer unterwegs Order bekommen hat, uns NICHT über die Autobahn zu leiten. Aber durch seine mangelnde Ortskenntnisse ist es nun mal so passiert. Ich hoffe nicht, dass wir Morgen in der Zeitung stehen!
Endlich der 4-Sterne-Platz bei der Stadt Jönköping. Herrlicher Blick über den Vätternsee und die Lichter der Stadt! Nette Nachbarn, es ist 20 Uhr. Um 22 Uhr klopft’s an die Tür. Autobahnpolizei? Schwedische Gardinen? Zwei Jungen im Alter von 9 und elf Jahren erklären in lupenreinem Englisch, dass sie nun unseren Bauwagen besichtigen wollen. Okay! Ich frage sie, wo sie wohl so perfekt englisch gelernt haben. Na, in der Schule und zu Hause natürlich, antworten sie. Wir kommen aus Irland. Ach so! It’s your rolling home? Yes it’s my Baby, Children! Barbara drückt den Jungs eine Tafel Schokolade in die Hand. Sie verschwinden wieder, nicht ohne sich mit Handschlag artig verabschiedet zu haben.
Wir fallen todmüde in unsere Koje. Wir sind mit unserem Trecker Autobahn gefahren. Das muss ich erst mal im Schlaf verdauen. Morgen wollen wir 144 Kilometer fahren, um Per Carlsson zu treffen, der in Rimforsa wohnt und Chef der Firma „Rimaster“ ist. Unser Stimmungsbarometer ist auf Halbmast gesunken wie auch unsere Finanzen. Abenteuerreise. Was wird noch auf uns zu kommen?