SCHWEDEN

4. Mai

Nicht ohne ein Foto von uns gemacht zu haben, verlassen wir die beiden einsamen „Platzhalter“ und starten gutgelaunt und ausgeschlafen.

Die Miniheizung im Trecker bringt die Temperatur meist nach einer guten Stunde auf 15°Celsius.

Das reicht, sind wir doch stets gut eingepackt in Zwiebelschalenmanier.

Ohne dicke Jacke, Schal und Mütze geht hier gar nichts.

Brrrr !!!
Brrrr !!!

Wir bleiben auf der unbelebten E 45 und fahren im Schritttempo durch das Städtchen „Storuman“, immer darauf bedacht, den Längs- und Querrillen im Zentrum auszuweichen.

Bei tiefen Bodenwellen erhebt sich Barbara immer ganz „anmutig“ wie vor dem Vaterunser in der Kirche.

Sie „betet“ viele Vaterunser an diesem Tag.

Gut, es gibt auch manchmal gut ausgebaute Straßenabschnitte, aber je länger wir durch die Berge fahren, umso öfter müssen wir den bis zu 10 Zentimeter tiefen Frostrissen auf den zu dünnen Teerdecken im Schlingerkurs ausweichen.

Der Bauwagen schlingert mit und ich schaue jedes Mal mit Beklemmungsgefühlen in die verlängerten Außenspiegel.

Nach „Stensele“, „Sandsele“ und „Blattniksele“ überholt uns ein LKW, der Langholz geladen hat mit einem langgezogenen Hupen aus dem Nebelhorn.

Zehn Traktorminuten später sehen wir den Fahrer auf einem Ausweichplatz mit seinem 40-Tonner stehen und die Kamera zücken.

Auch ein weiterer Holztransporter verfährt ähnlich mit uns.

Die Fahrer werden sich über Funk verständigt haben, denke ich und staune zum wiederholten Mal über die am Straßenrand steckenden fast zwei Meter hohen roten Plastiktäbe, die Schneehöhenmesser.

Man kann noch hier und da auf den zugefrorenen Seen die Spurrillen der Schneemobile und Autos erkennen, die diese auf dem Eis hinterlassen haben.

Ob wir mal im Januar hierher kommen, um zu testen, ob die Eisdecke auch unser Gespann trägt ?

Am frühen Morgen nach einer kalten Nacht auf einem LKW-Parkplatz
Am frühen Morgen nach einer kalten Nacht auf einem LKW-Parkplatz

Wir fahren weiter auf dem „Bla Vägen“, dem sog. Blauen Weg, der uns durch verzauberte Wälder und imposante Gebirgslandschaften führt. Er geht vom Bottnischen Meerbusen bis über die Gebirge Norwegens.

Unsere ersten Rentiere, gleich neben der Straße
Unsere ersten Rentiere, gleich neben der Straße

Es ist immer ein Erlebnis, wenn wir die großen Flüsse Schwedens überqueren.

Reißend sind die Wasser im Frühjahr und nehmen schäumend die letzten Eisreste vom Ufer mit.

„Umeälf“, „Juktan“ und „Vindelälfen“ heißen heute unsere Wegbegleiter.

Es lohnt sich immer, kurz stehen zu bleiben, um gute Fotos von den Naturgewässern zu schießen.

Eigentlich möchte man nur noch fotografieren, so stark sind wir beeindruckt von dieser wilden Natur und …bisweilen ergriffen und stumm.

Das Reden fällt sowieso meist schwer allein durch den Höllenlärm, den der Motor macht, wenn ich ihn bergauf auf Touren bringen muss.

Das Tankstellennetz ist heute mal wieder sehr dünn.

75 Kilometer liegen seit dem letzten Auftanken hinter uns, als wir an einer weiteren vorbei fahren, wo man aber nur mit der Master Card tanken kann.

Tankwarte sind selten zu finden.

Automaten bestimmen auch hier oben in Västerbotten über die Wünsche der Reisenden.

Schon um 15 Uhr erreichen wir die kleine Stadt „Sorselen“ und den ausgesuchten Campingplatz.

Gerade will die Platzwartin mit ihren Volvo wegfahren, da erreicht sie Barbara noch durch ein Winken.

Klar können wir bleiben, sagt sie auf englisch und strahlt uns geschäftstüchtig an.

Wir zahlen 200 Kronen und haben Dusche und Strom frei.

„Tack, det var snällt“ antworte ich freundlich. „Danke, das ist nett von Ihnen.“

„Wo sind die anderen Touristen?“ entfährt es mir.

„Die kommen erst ab Mitte Juni !“ antwortet mir die Frau.

We are in Northsweden !

 

Wir sollen nur auf der geteerten Fläche des Platzes stehen, da die z.T. noch schneebedeckte Grasnarbe am Auftauen und noch zu nass ist.

Machen wir!

Die Schneehaufen um uns herum türmen sich meterhoch auf.

Wenig später kommt zögernd ein junger Mann auf mich zu.

Er ist braunhäutig und hat schwarz gelockte Haare und freut sich, als ich ihn heranwinke.

Unser Nachbar, ein Eritreer macht uns seine Aufwartung
Unser Nachbar, ein Eritreer macht uns seine Aufwartung

Im Bauwagen dann bei einer Tasse Cappuccino und einem Stück Erdbeerkuchen taut er langsam auf.

Er berichtet, dass er aus Eritrea stammt und vor drei Jahren über den Sudan und Libyen als „bootpeople“ übers Mittelmeer wegen der politischen Lage in seiner Heimat nach Italien geflüchtet ist.

Seine Ehefrau und seine drei Kinder sind letztes Jahr nachgekommen.

Er arbeitet hier in der Stadt als Krankenpfleger.

Seine Frau habe ihn just heute verlassen, erzählt er.

Sie sei sehr emanzipiert und würde studieren, was wiederum seinem Familienbild so gar nicht entspricht.

So habe er sich heute eine Stuga, eine Ferienhütte hier auf dem Campingplatz genommen, um nachdenken zu können.

Er spricht schlecht schwedisch und schlecht englisch.

Da können wir uns die Hand reichen, was wir auch bald tun.

Er schreibt einen Gruß in unser Gästebuch, auf meine Bitte hin in eriträisch.

Das sieht sehr abstrakt aus, eine Kunstschrift.

Dann verabschiedet er sich dankend, nicht ohne sein Geschirr in unserer Spüle abgewaschen zu haben.

Was wir alles erleben…

Man muss nur offen genug sein für die Mitmenschen und immer gesprächsbereit.

Da erfährt man auch was vom Anderen.

„Ja, ja“, bemerkt Barbara. „Wann bist du mal nicht gesprächsbereit?“ und grient mich schräg von der Seite an.

Das Internet funktioniert mal wieder nicht, obwohl ich im Supermarkt „ICA“ eine Tageskarte gekauft habe und mich richtig mit PIN eingeloggt habe.

Server antwortet nicht, bekomme ich zur Antwort.

Zum Teufel mit dem Onlinegehen!

Ich bleibe für den Rest des Abend offline und halte mich eine Weile am halb zugefrorenen See auf, der 30 Meter hinter uns verläuft.

Es ist bitterkalt und nebenan auf dem Tennisplatz spielen zwei Schweden in kurzen Hosen ein Match.

Schweden eben !

29 Kommentare zu „SCHWEDEN“

  1. Hallo Ihr Zwei,

    weiterhin „gute Fahrt“ auf den paar „restlichen“ 15.500 Kilometern… Wir wünschen Euch eine spannende Reis mit vielen Impressionen. Bis Ende des Jahres ;)))
    Und nicht vergessen: Jeden Morgen Tanta Paula streicheln, ist auch nur ein Mensch ;)

    Viele Grüße aus der Dragonerstraße vom kompletten Team!

    Jörg

  2. Die Süden-Petra

    hallo ihr beiden,

    hoffe, es geht euch gut. wandere mit meinen gedanken immer wieder hin zu euch –
    und hoffe, dass ihr wohlbehalten von einer fahrt zur anderen kommt.

    ganz liebe grüße aus dem warmen freiburg,
    petra

    (p.s. ihr wisst ja: ich warte auf euch ;-))

  3. hallihallo…….bei uns in der praxis wird sich oft über die ochsen´s .-) unterhalten
    auch mit den patienten in der altenhilfe die sie kennen…viele gute wünsche und grüße auch von frau giese (bewohnerin altenhilfe)
    gruß wolfgang müller

  4. Hallo ihr Weltenbummler,
    hoffe es geht euch gut und ihr erfreut euch an Land und Leute. Die Berichte von euch sagen es ja eigentlich aus und ich informiere M + P fleißig mit der Wochenpost (ehemals Freitagspost). Telefoniere fast jeden Tag mit ihr und sie möchte immer wissen wie es euch ergeht. Bei den beiden ist alles soweit i.O. Da ihr jetzt in Lappland seid, ist es bis zum Nordkap nur noch einen Zetorsprung entfernt.
    „Bei den Lappen und den Samen,
    hat der Elch mit seinen Damen,
    Tante Paula freudig nachgeschaut
    und elcht und röhrt seitdem ganz laut.“
    -Läppische/Sämische Weisheit-
    Bis denne
    s`Brüderle

  5. einen warmen frühlingsgruß aus nordhessen,
    wir sind immer wieder ganz gespannt auf neuigkeiten aus dem hohen norden.
    was für ein abenteuer!!!
    ganz liebe grüße aus teichstrasse

  6. Hej in der LT kam Heute eine ganze Seite mit Euch, da steht was von:

    kategorin rullande spektakuläriteter, inkl.5 Bilder, wir besorgen Euch die Zeitung.

    Gruß Dieter

  7. Hallo Poetenfreund und Frau Barbara!
    Wie ich lese wird es Euch nie langweilig. Passt gut auf Euch auf und auf Eure Paula.Werde Euch weiter verfolgen. Alles Liebe, Viola2

  8. Liebes Ehepaar Ochs,
    ich bin ja sowas von neidisch…
    So eine tolle Reise!!!
    Ich freue mich schon auf weiter Berichte.
    Herzliche Grüße
    Dominik

  9. Hallo ihr Zwei Weltenbummler,
    uns fehlen manchmal die Worte beim lesen,aber wir können uns vorstellen wie es bei euch zugeht.
    Blutpudding nein danke,könnte Barbara gut verstehen, wenn sie das Essen verweigert hätte!!!!
    Es sind nur noch 2 Räder die kaputt gehen können,läßt doch hoffen oder?
    Weiterhin „gut Rad“ ohne Pannen!!!!
    Ciao Wir, die fast jeden Tag an Euch denken.

  10. Hallo!
    Ich sehe, dass du ein kleines Problem mit dem Traktor Räder und andere Dinge auf Ihrer Reise hatten. Hoffe, Sie können immer noch auf Ihrer Reise durch das schöne Sommer Schweden genießen.
    Grüße
    Herausgeber Leif T.

  11. Hallo Herr und Frau Ochs,
    ich lese mir fast jeden Abend (wenn Ria schläft) ihre Berichte durch, denn dann habe ich die Zeit und Ruhe.
    Ich finde die Berichte sehr interesant und spannend.

    P.S: Natalie ließt manchmal mit und schreibt für mich die Kommentare damit keine Fehler entstehen z.B. die Federn ziehhen :D

    Liebe Grüße

    Anna & Natalie

  12. Hallo,
    ihr beiden. ich hab mich jetzt durch Dänemark und Schweden gelesen. Dreieinhalb Stunden und ich bin ganz kirre im Kopf. Ich glaube Du hast keinen Grund den Kopf hängen zu lassen.
    Hattest Du nicht erst die Idee mit der Ape zu fahren? Setz Dich mal gemütlich in einen Stuhl und stell Dir die schon gefahrene Strecke damit vor. Eure Allerwertesten wären nicht nur rund sondern auch Wund und spätestens bei der ersten Panne würde Dir die Ersatzteilbeschaffung die letzten Deiner schönen Haare kosten. Die Bergung wäre zwar etwas kostengünstiger aber dafür müstest du Dir jetzt bei Deinem Differenzialproblem mit Lieferzeiten von mehreren Monaten rechenen.
    Also lehne Dich zurück und genieße die Natur mit Deiner Frau.
    Gruß
    Harald

  13. Hallo Ihr beiden.

    Das ist ein wirklich wunderschöner Reisebericht.Ich bin Moderator im Forum http://www.Campen.de
    Dort findet man mich unter dem Nick, Bigrolly

    Vielleicht schaut Ihr mal bei uns rein und schreibt was zu euerer Geschichte, wäre sicherlich für viele von uns von interesse.

    wünsche euch weiterhin eine Schrott und Knitterfreie Fahrt.

  14. Hallo Ihr zwei!

    Vielen Dank für diesen tollen Reisebericht, den ich natürlich weiter verfolgen werde. Einmal mit dem Lesen angefangen, kann man gar nicht mehr aufhören!

    Weiterhin eine gute Reise mit schönen Erlebnissen, wenigen bösen Überraschungen und ganz viel Spass!
    Tack så mycket och lycka till!

    Christiane

  15. Petra aus Viermünden

    Hallo liebe Barbara und lieber Dieter,
    wir haben gestern mit Vater und Marlies gegrillt. Vorher hatte ich eueren Reisebericht einmal in Papierform gebracht, da ich dachte es ist bestimmt ganz interessant für unseren Vater mal ein bisschen über eure Reise zu erfahren. Aber, dass das so enden würde hätte ich ja auch nicht gedacht. Werner hat nach dem Grillen, praktisch als Nachtisch, einiges aus dem Bericht vorgelesen. Das Schlimme ist aber, dass eurer Bericht Suchtgefahr in sich birgt, denn wenn man damit einmal angefangen hat, möchte man immer mehr und auf jeden Fall weiter lesen. Wir haben einen sehr interessanten und vergnügten Nachmittag mit euere Lektüre verbracht. Werner hörte man immer wieder zwischen durch über dem Text lachen. Bei all dem Lustigen sind wir froh dass es euch gut geht und bis jetzt alles gut ausgegangen ist. Wir werden mit Spannung eure Berichte weiter verfolgen und grüßen euch aus der sonnigen Heimat.
    Drück euch
    Pe

  16. Kann garnicht aufhören zu lesen, obwohl ich eigentlich den Grill anwerfen sollte.
    Ich bewundere Eure Zuversicht und drücke beide Daumen, dass es geruhsamer weitergeht.

  17. Die Süden-Petra

    Hui…ich habe mal wieder mit einem lachenden und einem zitternden Auge gelesen…
    Was kann ich Barbaras Ängste nachvollziehen (ich winke dir mal rüber, Barbara). Und Du, mein lieber Dieter, du solltest ein Buch schreiben über diese Reise. ICH würde es auf jeden Fall sofort kaufen – und ich bin sicher, hundert andere mit mir.

    Ich schicke euch liebe Grüße aus dem Süden Deutschlands,
    Petra

  18. Michaela und Hans-Jürgen Vollmöller

    Wir wünschen Euch frohe Ostern. Hoffentlich hält Euer Gespann jetzt mal etwas länger.
    Wir drücken weiter die Daumen.
    Michaela und Hans Jürgen

  19. Hej,

    jenachdem und wo Ihr Ostern verbringt und auf einen Dator zugiff habt,

    wir wünschen Euch Frohe Ostern

    Gruß aus dem schönen Jämtland

    Dieter und Gudrun

  20. Hallo Familie Ochs,

    herzliche Grüße aus der Heimat sowie ein gesegnetes und hoffentlich auch ein erholsames Osterfest – natürlich frei von Pannen!

    Rudi Wenzel

  21. Massey Ferguson 30

    Eigentlich wollte ich mit dem Tag meines Rentenbescheides (in etwa 23 Jahren) nach Eurem Vorbild einen meiner zwei Bauwagen satteln und mit dem Schlepper nach Norwegen fahren. Ich glaube, ich nutze die Zeit bis dahin, auf Titan-Radlager zu sparen und werde meine Frau überreden, in die Muckibude zu gehen, damit sie den Bauwagen hochheben kann, falls mal nötig…

    Für die weitere Reise: Immer eine Hand breit Luft unterm Bodenblech!

    Viele Grüsse aus der Schwalm und denkt dran: Auch wenn’s noch so dicke kommt, hinterher kann man meistens doch drüber lachen :-)))

    MF30

    PS: @webmaster => wäre schön, wenn man die Bilder beim Reinklicken vergössern könnte, um mehr auf den Fotos zu erkennen…

  22. Hallo an die Vagabunden ;o)
    Der „Start“ der Reise ist schon recht aufregend. Wir drücken die Daumen, dass Tante Paula jetzt durchhält und die nächsten Campingplätze auf haben. Gute Weiterreise und viele weitere schöne Begegnungen.
    Liebe Grüße
    Petra

  23. Die Reiseberichte aus Dänemark und Schweden waren gerade meine Bettlektüre (okay, nur im übertragenen Sinne, denn der Computer steht ja im Arbeitszimmer) und, wie ich feststellen muss, tausendmal spannender und unterhaltsamer als der Krimi, der aktuell auf dem Nachttischchen liegt. Ich freue mich schon auf das nächste „Kapitel“. Alles Gute und herzliche Grüße aus Carlsdorf nach „unterwegs“. Mark Meusel

  24. Hoffendlich ist Tante Paula jetzt grundüberholt .Fahrt laaaaagsam weiter und nicht so schnell in den Kurven. Viel Spaß ihr BEIDEN die Sieler

  25. Hallo Dieter,
    das sind ja unglaubliche Reiseberichte.
    Hoffentlich ist Tante Paula nun etwas standfester und ihr habt ein paar ruhige Tage zum Entspannen.
    Viele Grüße aus der Bahnhofstraße,
    Stefan

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